Russland

Der erste Häftling von Olympia

Der russische Umweltaktivist Jewgeni Witischko ist zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Offiziell, weil er den Zaun um die Gourverneursvilla der Olympia-Region Krasnodar mit Slogans wie „Das ist unser Wald“ besprüht hatte. Zuvor hatte Witischko aufgedeckt, dass der Zaun illegal im Naturschutzgebiet errichtet worden war.

Viele Organisationen und unabhängige Medien sehen in Witischko den „ersten Häftling“ der Olympischen Winterspiele in Sotschi. Sein Fall steht im krassen Gegensatz zur Amnestie vieler bekannter politischer Häftlinge wie Michail Chodorkowski oder Nadeschda Tolokonnikowa und Maria Aljochina von Pussy Riot, die kurz vor den Olympischen Spielen freigelassen wurden.

Und tatsächlich scheint das Urteil gegen Witischko persönlich motiviert: „Wir sind zum Feind von Alexander Tkatschew, dem Gouverneur, geworden”, sagen Witischkos Kollegen von der „Umweltwache Nordkaukasus“.


Die russische Umweltbewegung wächst

Moskau mischt sich auf dieser regionalen Ebene nicht ein, solange seine Statthalter treu und loyal sind und bei den Olympischen Winterspielen alles läuft. Gleichzeitig werden viele Menschen langsam müde. In unabhängigen russischen Medien und in sozialen Netzwerken gibt es zu Witischko viele Kommentare nach dem Motto „wieder ein verrücktes Urteil eines korrupten Gerichts“.

Das ist schade – und sogar gefährlich. Witischkos Urteil zeigt nämlich eine wichtige Tendenz: Die Umweltbewegung in Russland – und damit sind sowohl professionelle Umweltgruppen als auch engagierte, einfache Bürger gemeint – wächst. Und sie wird offensichtlich von vielen korrupten Beamten und Geschäftsleuten zunehmend als Bedrohung begriffen.


Demonstrationen in vielen Teilen des Landes

Denn in Russland gibt es mittlerweile viele unerschrockene Aktivisten, die – wie Witischko – nicht schweigen, sondern laut auf Vergehen hinweisen. Gerade in den vergangenen Monaten gab es in mehreren Regionen Proteste: In Woronesch demonstrierte die Bevölkerung gegen Nickel-Abbaupläne im Landschaftsschutzgebiet, in Krasnojarsk gingen die Einwohner gegen die Errichtung einer Fabrik für Eisenlegierungen auf die Straße, im Gebiet um St. Petersburg protestierten Aktivisten und Bürger gegen den Bau von Luxus-Appartementblocks an Seeufern und in geschützten Wäldern.

Das Umweltbewusstsein wächst, Protestaktionen werden zusehends professioneller und immer mehr zivilgesellschaftliche Gruppen, die Tag und Nacht an ihrem Fall dranbleiben, feiern Erfolge. Wenn es allerdings um einen wichtigen Fall für die regionale Regierung oder Wirtschaft geht – die oft in einer direkten, korrupten Beziehung zueinander stehen – kann es für lokale Aktivisten sehr schwer werden, was der Fall Witischko jetzt deutlich gezeigt hat. Deswegen ist jede Aufmerksamkeit für ihn so wichtig, in Russland und international.


Offizielle Anfrage des IOK

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat nach dem Urteil eine offizielle Anfrage an die lokale Verwaltung geschickt. Man kann nur hoffen, dass diese nicht versickert. Bereits im Dezember 2013 hatten russische Umweltorganisationen das IOC aufgerufen, Umweltaktivisten zu unterstützen, die im Rahmen der sogenannten „Säuberungsaktion Sotschi“ festgenommen worden waren. Damals ließ die Antwort noch darauf schließen, dass diese Organisation bereit ist, die Augen zu verschließen – nicht nur in Bezug auf Korruption, sondern auch in Bezug auf schwerere Menschenrechtverletzungen.


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