Deutsch-russisches Filmabkommen rückt näher
Beim Treffen der russischen Filmbranche in Moskau Mitte November 2009 wird sich der russische Botschafter in Berlin, Vladimir Kotenev, für einen zügigen Abschluss des deutsch-russischen Filmabkommens einzusetzen. Das Abkommen, das von der nationalen Filmförderungsanstalt unter Federführung des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Bernd Neumann und dem russischen Kulturministerium ausgehandelt wird, hat zum Ziel, die deutsch-russischen Filmbeziehungen zu fördern und die Zusammenarbeit und den Austausch zwischen deutschen und russischen Filmschaffenden auf dem Gebiet der Ausbildung sowie der Herstellung und Finanzierung von Filmen zu stärken.
Als Vorbild gelten die guten Erfahrungen der Deutsch-Französischen Filmakademie, die vor neun Jahren noch auf Anregung des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder ausgehandelt wurde. Doch während die Zusammenarbeit mit dem westlichen Nachbarn zügig vereinbart werden konnte, wurde der Abschluss des Abkommens mit Russland in den vergangenen zwei Jahren immer wieder verschoben, bis es im Frühling diesen Jahres endgültig zum erliegen kam.
Russische Verwaltung verursacht Verzögerungen
Während sich das russische Kulturministerium nicht zum Stand des Abkommens äußern möchte, sieht Simone Baumann, Osteuropabeauftragte von German Films, das nationale Informations- und Beratungszentrum für die internationale Verbreitung deutscher Filme, die Gründe für das zögerliche Verhalten der russischen Seite vor allem im langen Abstimmungsprozess der russischen Verwaltung. Dort seien mittlerweile neben dem Kulturministerium auch das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung und das Außenministerium mit der Ausarbeitung befasst:
„Da die nationale Filmförderung in Russland sehr stark ist, besteht bis jetzt noch keine große Bereitschaft, russische Filme mit Hilfe von internationalen Koproduktion zu realisieren“, erklärt Baumann, die seit Spätsommer diesen Jahres auch die Geschäfte des neu gegründeten Fördervereins „Deutsch-Russische Filmakademie“ mit Sitz in Cottbus führt.
Förderverein „Deutsch-Russische Filmakademie“
Ziel des Vereins ist der Austausch zwischen deutschen und russischen Filmschaffenden bei Ausbildung, Herstellung und Finanzierung von Filmen zu fördern und das Kooperationsabkommen voranzutreiben. „Wie beim deutsch-französischen Abkommen, das auch mit einem Förderverein begann, sollen sich hier Deutsche und Russen zusammenfinden, die an der filmkulturellen Zusammenarbeit beider Länder interessiert sind, um diese Interessen auch politisch auf die Tagesordnung zu setzen“, erklärt Kirsten Niehuus, Geschäftsführerin vom Medienboard Berlin-Brandenburg und Gründungsmitglied des Fördervereins. Zwar habe die deutsche Seite den Verein ins Leben gerufen, doch die Absicht sei, dass diesem auch möglichst viele russische Filmschaffende beitreten. Dass dies gelingt, dafür wollen Simone Baumann und Kirsten Niehuus bei der deutschen Filmwoche in Moskau Anfang Dezember beim russischen Kulturministerium die Werbetrommel rühren.
Unabhängig vom Zustandekommen des Abkommens möchte der Förderverein, ebenfalls nach deutsch-französischem Vorbild, für junge Nachwuchstalente beider Länder in der angestrebten Filmakademie eine Masterclass anbieten, deren Abschluss in beiden Ländern anerkannt sein soll. „Einer der Schwerpunkte muss in der Ausbildung liegen“, erklärt Kirsten Niehuus. Deshalb werde derzeit schon an der Entwicklung eines deutsch-russischen Ausbildungszweig für Regisseure und Produzenten gearbeitet, der in Deutschland von der Hochschule für Film und Fernsehen Potsdam-Babelsberg (HFF), in Russland entweder von der Filmhochschule in Moskau oder St. Petersburg angeboten werden soll. Der Start ist für 2011 geplant.
Kooproduktion für Filme fernab von Mainstream
Dass die Zusammenarbeit internationaler Filmschaffender in Russland derzeit noch als Stiefkind gehandelt würde, bekämen derzeit vor allem russische Regisseure zu spüren, die Geschichten abseits des nationalen Kino-Mainstreams erzählen möchten, bedauert der russische Filmregisseur Alexander Mindadze aus Moskau. Für seinen neuen Film über die Tschernobyl-Katastrophe hat er die deutsche Bavaria-Film als Koproduzenten gefunden: „Doch ohne rechtliche Grundlage, die das Abkommen garantiert, wird die Zusammenarbeit durch strenge Zoll- und Visa-Richtlinien erschwert“, kritisiert er.
Koproduktionen böten Regisseuren die Chance, ihre Filme vor internationalem Publikum zu zeigen. Außerdem könnten mit dem Abkommen neue gemeinsame Fördertöpfe erschlossen werden, die ausschließlich für Koproduktionen beider Länder bereitgestellt werden. Doch Geld spielt für den russischen Regisseur nur eine zweitrangige Rolle: „Bei uns gibt es zwar keine Zensur, aber gesellschaftliche Themen werden von russischen Filmschaffenden kaum aufgegriffen, weil es dafür scheinbar kein Interesse gibt. Koproduktionen können dem entgegen wirken“, erklärt er: „Zudem bergen Koproduktionen auch mit einem internationalen Filmteam aus Drehbuchautoren und Schauspielern ein großes künstlerisches Potential bei der Umsetzung.“
Chancen für Arthouse-Filme und Festivals
Die Chancen eines deutsch-russisches Filmabkommens sieht Medienboard-Chefin Kirsten Niehuss vor allem für Koproduktionen im Arthouse-Bereich und für internationale Film-Festivals: „Weder in Deutschland noch in anderen Ländern werden nationale Kassenknüller jemals koproduziert werden“, sagt sie: „ Da unterscheiden sich Humor und die Herangehensweise etwa bei Historienfilmen einfach zu stark.“ Zwar sei osteuropäisches Kino derzeit noch hauptsächlich ein Markt für Filmliebhaber, dennoch sieht sie großes Entwicklungspotential – dafür aber müssten die Filmschaffenden aus beiden Ländern aber endlich mehr zusammenarbeiten: „Es wäre schon ein großes Zeil erreicht, wenn diese künstlerisch wertvollen Filme in die Festivals und die Kinos finden würden.“
Dass der Sitz des Fördervereins in Cottbus sein wird, hat für Kirsten Niehuus gute Gründe: „Im Verhältnis zu Russland spielt Cottbus mit seinem osteuropäischen Filmfestival eine ganz entscheidende Rolle.“ Derzeit besteht der Förderverein zwar nur auf dem Papier, das soll sich aber ändern. Anfang kommenden Jahres soll ein Büro in Cottbus eröffnet werden.