Neue Hoffnung Kroatien
Am Grenzübergang Horgos an der serbisch-ungarischen Grenze ertönt ein Pfeifkonzert. Männer, Frauen und Kinder drängen gegen die Rolltore aus Metall, die den Übergang in seiner ganzen Breite versperren. Sie rufen rhythmisch: „Open, open, open”.
Doch es ist nur eine Lautsprecherdurchsage auf Arabisch zu hören. Ein Mann erklärt, dass es kein Weiterkommen gebe, keine Chance. Die Antwort ist neues Pfeifen. Schließlich lassen sich die Menschen, meist Familien aus Syrien, auf dem Asphalt nieder. Andere haben hier bereits in Zelten am Straßenrand übernachtet.
Obwohl die ungarische Regierung die Grenze zu Serbien bereits am Dienstag geschlossen hat, harrten nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks am Mittwochmittag immer noch 2.500 Menschen an der Grenze zu Ungarn aus. „Was sollen wir denn jetzt machen?”, fragt die 19-jährige Sima. „Mein Vater ist in Saarbrücken. Er wartet schon ein Jahr lang auf uns.” Sima gehört zu einer Gruppe von 35 Kurden, die aus der heftig umkämpften Stadt Kobane an der türkischen Grenze geflohen sind.
Doch für sie und die anderen Flüchtlinge gibt es bereits eine neue Transitroute: Sie wollen jetzt über Kroatien in die EU gelangen. Seit der Nacht auf Mittwoch halten Busse am Grenzübergang in Horgos, sie bringen die Menschen ins Aufnahmezentrum im 16 Kilometer entfernten Kanjiza. Von dort fahren Busse nach Sid an der kroatischen Grenze, von wo die Flüchtlinge zu Fuß weiterlaufen. Etwa 150 Menschen sind in Kroatien angekommen.
Serbischen Medien zufolge hat die Polizei die Busfahrer an der mazedonisch-serbischen Grenze informiert, dass diese nicht mehr Richtung Ungarn, sondern möglichst direkt Richtung Kroatien fahren sollten. Nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks UNHCR handelt es sich um private Busse, die seit Monaten Flüchtlinge zur nächsten Grenze bringen. Ungarischen Medienberichten zufolge kostet die Fahrt jeden Flüchtling etwa 50 Euro.
Der Weg über die grüne Grenze ist gefährlich: An der serbisch-kroatischen Grenze liegen auf kroatischer Seite noch Minen aus den Balkankriegen. Zagreb hat bereits ein Team zur Kampfmittelbeseitigung losgeschickt. Die kroatischen Behörden rechneten am Mittwoch mit etwa 500 Menschen. Sie würden registriert und dann in eine Sammelstelle gebracht. Premierminister Zoran Milanovic kündigte an, dass Kroatien die Menschen ohne weiteres weiterreisen lassen werde. „Sie werden Kroatien durchqueren können, und wir werden ihnen dabei helfen.”
Im ungarischen Grenzort Röszke ist es dagegen mittlerweile menschenleer. Von der serbischen Seite dringen die Sprechchöre der Flüchtlinge herüber. „Wir glauben, dass trotz der Schließung weitere Menschen über den Zaun wollen“, sagt ein Polizist, der am Stacheldraht patrouilliert und sich über Funk mit seinen Kollegen verständigt. Doch wer hofft, nachts durch ein Loch im ungarischen Grenzzaun zu schlüpfen, muss laut einem seit Dienstag geltenden Gesetz damit rechnen, im Gefängnis zu landen. 174 Flüchtlinge sind nach Angaben der ungarischen Regierung bereits festgenommen worden.
Offenbar hatte die ungarische Seite damit gerechnet, dass einige Flüchtlinge nun den legalen Weg durch die Container am Grenzzaun wählen, um sich in Ungarn offiziell registrieren zu lassen. Doch dort warten in der Hitze des Nachmittags nur eine Handvoll Familien, die sich entschlossen haben, in Ungarn Asyl zu beantragen. Das eigens errichtete Aufnahmezelt in Röszke ist leer. Auch die Helfer, denen die Erschöpfung der vergangenen Tage noch ins Gesicht geschrieben steht, haben nichts mehr zu tun.