Lob für die EU-Anwärter auf dem Balkan
Premier Aleksandar Vucic lauscht der Kanzlerin. Angela Merkel verteilt an Belgrad Bestnoten: Die Beziehungen zwischen Serbien und Albanien seien auf einem „völlig neuen Niveau“, sagt sie auf der gemeinsamen Pressekonferenz. Die Regierungschefs beider Länder hätten sich endlich gegenseitig besucht. Belgrad zeige außerdem ein „hohes Maß an Kompromissbereitschaft“ gegenüber dem Kosovo, wenn es um die Regelung praktischer Fragen gehe. Und schließlich lobt Merkel die Wirtschaftspolitik: Wegen harter Reformen werde es in Serbien dieses Jahr Wachstum geben, der Internationale Währungsfonds (IWF) habe keine Beanstandungen.
Serbiens Regierungschef Vucic hat zuvor klargemacht, wie wichtig ihm der Besuch der Kanzlerin ist. Dies sei „einer der wichtigsten Tage“ seiner politischen Karriere. Man wolle von Deutschland keine Almosen, sondern „wir wollen fleißig sein, wie die Deutschen es sind“.
Vor vier Jahren war die Stimmung noch frostig
Kein Zweifel, Angela Merkel trifft in Serbien einen Musterschüler, zu dem sie nach eigenen Worten „Vertrauen“ hat. „Wir sind in einer ganz anderen Situation hier“, sagt sie mit Blick auf Griechenland. Dort sind die Renten und Pensionen immerhin fünfmal so hoch wie in Serbien, wie die Zeitung „Politika“ zum Besuch der Kanzlerin vorrechnet.
Noch vor vier Jahren war die Stimmung frostig, als der damalige Präsident Boris Tadic der Kanzlerin erklärte, Belgrad werde die ehemals serbische Provinz Kosovo nicht anerkennen. Auch Premier Vucic von der Serbischen Fortschrittspartei, seit 15 Monaten im Amt, hat gewiss nicht vor, alle Ansprüche auf den Kosovo aufzugeben. 2008 erklärte sich der Kosovo für unabhängig, Serbien erkennt den Staat bisher nicht an.
Aber Vucic sorgt dafür, dass die Brüsseler Verhandlungen zwischen Belgrad und Prishtina in Verträge münden. Dabei geht es etwa um praktische Dinge wie eine internationale Telefonvorwahl für den Kosovo oder die serbischen Gemeinden im Nordteil des Landes, die Autonomie erhalten sollen. Die Kompromissbereitschaft Belgrads werde belohnt werden, wenn die EU über die Eröffnung des ersten Verhandlungskapitels zur EU-Mitgliedschaft entscheide, versprach Merkel.
Auch Albanien ist ein Musterknabe
Stunden zuvor war die Kanzlerin beim albanischen Premier Edi Rama in Tirana, lobte dort ebenfalls die Wirtschaftspolitik und die neuen Beziehungen zu Serbien. EU-Kandidat Albanien hat sich als weiterer Musterknabe auf dem Westbalkan erwiesen, zumal das Land bereits Mitglied der Nato ist – ein Schritt, gegen den sich Serbien sträubt. Man wolle neutral bleiben. Dennoch sind die „deutsch-serbischen Beziehungen so gut wie nie”, sind sich der scheidende deutsche Botschafter Heinz Wilhelm und sein Nachfolger Axel Dittmann einig. Vucic habe das Haushaltsdefizit auf unter drei Prozent gedrückt. „Es gibt auch in der EU nicht viele Länder, die das schaffen“, so Dittmann.
Von der Nähe Belgrads zu Russland ist kaum mehr die Rede. Der Premier hat erklärt, er werde dieses Jahr trotz einer Einladung nicht nach Moskau reisen. Dagegen war Vucic Ende Mai in den USA. Dort sprach man darüber, dass Serbien unabhängiger von russischem Gas werden soll. An diesem Bild dürfte auch nichts ändern, dass Moskau im UN-Sicherheitsrat auf Wunsch Serbiens sein Veto eingelegt hat gegen die Resolution zum 20. Jahrestag des Srebrenica-Massakers. Serbien hat sich für seine Mitschuld am Mord von 8.000 Muslimen entschuldigt, stößt sich jedoch am Begriff „Genozid“.
Konfrontation mit Kosovaren
Merkels Reise ist die Folge der Berliner Westbalkan-Konferenz vom vergangenen Sommer. Albanien und fünf ehemalige Länder Jugoslawiens sollen in die EU, Slowenien und Kroatien sind bereits Mitglieder. Zum Abschluss sprach die Kanzlerin in Sarajevo mit der dreiköpfigen Präsidentschaft von Bosnien und Herzegowina. Sorgen bereitet ihr Milorad Dodik, Chef der serbischen Teilrepublik, der mit einem Referendum zur Unabhängigkeit droht.
Den Kosovaren hat Merkel schon vor ihrer Reise in Berlin den Marsch geblasen. Premier Isa Mustafa warnte sie, die Gründung eines Sondergerichts weiter hinauszuzögern. Das Gericht soll die Kriegsverbrechen der kosovarischen Befreiungsarmee UCK aburteilen. Das könnte auch Außenminister Hashim Thaci treffen. Gegen den ehemaligen UCK-Führer liegen schwere Vorwürfe auf dem Tisch wie der Handel mit Organen serbischer Gefangener.
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Quellen:
Pressekonferenz im „Palast Serbien“ mit Premier Vucic und Kanzlerin Merkel
Ansprache von Botschafter Heinz Wilhelm bei einer Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Belgrad