China investiert in Bahnverbindung Serbien-Ungarn
Wer fährt eigentlich mit dem Zug von Paris nach Bratislava? Das fragen gerne kopfschüttelnd die Gegner von Stuttgart 21, dem wichtigsten, auf jeden Fall aber umstrittensten Teilstück der europäischen Bahnmagistrale Paris–Bratislava mit dem Zweig nach Budapest. Überraschend gibt jetzt die Wirtschaftsweltmacht China darauf eine Antwort: Güter aus dem Reich der Mitte sollen mit der Bahn nach Mitteleuropa rollen, und zwar vom Hafen Piräus bei Athen über Thessaloniki, Belgrad und Budapest. In der Gegenrichtung möchten die Chinesen Lebensmittel transportieren, zum Beispiel Fleisch für den eigenen chinesischen Markt. Dazu wird Peking schwer in den Ausbau der Bahnlinie Budapest–Piräus investieren.
Mit anderen Worten: China verlängert die europäische Bahnmagistrale über den Balkan bis ans ägäische Meer, und das ganz ohne Interesse am Personenverkehr. Einen Stützpunkt in Piräus hat Peking bereits, dort betreibt die Staatsreederei Cosco einen Containerhafen. Das Vorhaben passt in die Strategie Chinas, sich für seine Güter die Verkehrswege selber zu bauen. So hat Peking kürzlich angekündigt, parallel zum Panamakanal eine eigene Wasserstraße durch Nicaragua zu graben.
Viele Serben glauben nicht mehr an Großprojekte
11 Uhr am Hauptbahnhof in Belgrad. Vor dem Zug nach Budapest plaudern zwei Schaffner mit den Fahrgästen. Was sie davon halten, dass der Zug schon in zwei Jahren die 360 Kilometer statt in acht nur in gut zweieinhalb Stunden bewältigen könnte? Die Eisenbahner lächeln: „Na, schauen wir erst mal”.
Wie viele Serben glauben sie längst nicht mehr daran, dass ehrgeizige Projekte wie diese tatsächlich umgesetzt werden. Eine junge Belgraderin, die nach Budapest und weiter über München an ihren neuen Wohnort Bayreuth fährt, reagiert auch nicht begeistert. Dabei hat sie jetzt eine Nachtfahrt vor sich.
Politiker in Belgrad und Budapest sind dagegen überzeugt, das China sein Vorhaben auch umsetzen will. Beim Gipfel der 16 ehemaligen sozialistischen und kommunistischen Staaten Osteuropas mit dem chinesischen Premier im Dezember in Belgrad unterzeichneten China, Ungarn und Serbien ein entsprechendes Abkommen. Ein zweiter Vertrag folgte Anfang Februar. Demnach soll die marode Bahnstrecke Belgrad–Budapest in nur zwei Jahren ausgebaut werden, als erster Abschnitt der neuen Balkan-Magistrale. Kosten: rund 1,5 Milliarden Euro. Zurzeit erstellen Ingenieure aus den drei Ländern ein erstes Konzept.
Für die Linie Belgrad-Zagreb gibt es keine Pläne
Nach dem Wunsch der Regierung in Belgrad soll China direkt in das Projekt investieren, das wirtschaftlich angeschlagene Serbien könne sich nicht mit neuen Krediten belasten. Tatsächlich hat der chinesische Premier Li Keqiang in Belgrad einen Investitionsfonds von drei Milliarden Dollar für die 16 Länder Osteuropas angekündigt. Dagegen hatte Peking beim Gipfel 2013 in Bukarest noch ein Kredit-Programm von zehn Milliarden Dollar aufgelegt. Geld, das beispielsweise in eine 260 Millionen Dollar teure Donaubrücke in Belgrad geflossen ist. Chinesische Firmen haben den Übergang in Rekordzeit erstellt.
Auch in der serbischen Wirtschaft scheint man den Chinesen gewogen. Zoran Popov, Chef des deutschen Industriegase-Herstellers Linde in Serbien, hält die Balkan-Magistrale für ein „gutes Projekt”. Damit könnte Linde einen Teil seiner Gase auf der Schiene transportieren – vorausgesetzt, auch die Verbindung vom Firmensitz in Becej nördlich von Belgrad an die Hauptstrecke nach Budapest werde repariert.
Für die Linie Belgrad–Zagreb, im früheren Jugoslawien eine zentrale Verkehrsachse, gibt es übrigens keine Sanierungspläne. Das ist bezeichnend für das nach wie vor zerrüttete Verhältnis zwischen Serbien und Kroatien. Die Züge brauchen für die 400 Kilometer durch das Save-Tiefland sieben bis acht Stunden. Zu Titos Zeiten ging das doppelt so schnell.
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Quellen:
http://zeleznicesrbije.com
http://www.magistrale.org
Telefongespräch mit Zoran Popov von Linde/Serbien