Serbien

Serbien ist in Geldnot

Mischa P. ist wütend. 40 Jahre lang hat der Belgrader in die Rentenkasse eingezahlt. Im Oktober ist seine Rente von 300 auf 270 Euro gekürzt worden. „Dabei hat Serbien nach dem Zerfall Jugoslawiens zig Milliarden Euro an Staatsvermögen an irgendwelche Tycoons verschleudert”, ärgert sich der 60-Jährige. Der Rentner spielt damit auf Serbiens Superreiche an, die während der Kriege in den 1990-er Jahren riesige Vermögen angehäuft haben. Mischa hält sich nun als Tanzlehrer über Wasser.

Das EU-Beitrittsland Serbien ist in Geldnot. Um sich Luft zu verschaffen, hat die Regierung unter Premier Aleksandar Vucic von der Fortschrittspartei SNS gerade Staatsbediensteten und Rentnern die Bezüge gekürzt. Renten bis zu 210 Euro werden nicht angetastet, womit 60 Prozent der Ruheständler außen vor sind.


Jeder zweite arbeitet bei einem Staatsbetrieb

Das Land hat lange über seine Verhältnisse gelebt – man könnte es deswegen das Griechenland des Balkans nennen, denn es steht vor ganz ähnlichen Problemen: Von insgesamt 1,7 Millionen Beschäftigten in Serbien arbeiten 800.000 in Behörden oder Staatsfirmen, also fast jeder Zweite. Im Krisenstaat Griechenland war zu Beginn der Krise 2008 nur jeder Vierte im öffentlichen Sektor tätig.

Das Haushaltsdefizit in Belgrad beläuft sich in diesem Jahr auf 2,5 Milliarden Euro, das entspricht 7,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) – in der Eurozone sind nur drei Prozent erlaubt. Die Verschuldung der öffentlichen Hand wird zum Jahresende 23 Milliarden Euro betragen, 70 Prozent des BIP – was allerdings weit entfernt ist von griechischen Verhältnissen mit 175 Prozent.

Das eigentliche Problem des Sieben-Millionen-Einwohner-Landes sind die 730 staatseigenen Betriebe mit ihren 130.000 Beschäftigten. Diese Firmen, die fast alle Verluste erwirtschaften, könnten Serbien alsbald ruinieren. Das hat jetzt der unabhängige Finanzrat in seinem jüngsten Bericht an das Parlament offengelegt. So pumpt der Staat dieses Jahr eine Milliarde Euro in seine Firmen.


Verluste bei Gasversorger

Der größte Brocken ist der Strommonopolist EPS, der mit 38.000 Mitarbeitern völlig überbesetzt ist. Zum Vergleich: Serbien hat rund sieben Mal weniger Einwohner als Deutschland, wo einer der größten Stromversorger RWE etwas über 66.000 Mitarbeiter beschäftigt. Überdies verdienen die EPS-Beschäftigten doppelt so viel wie auf vergleichbaren Posten in der serbischen Privatwirtschaft. Und das, obwohl EPS mit einer Milliarde Euro in den roten Zahlen steht.

Auch der Gasversorger Srbijagas ist in den roten Zahlen. Serbijagas weist einen jährlichen Verlust von 420 Millionen Euro aus. Jetzt forderte auch noch der russische Staatschef Wladimir Putin von Premier Aleksandar Vucic, dem russischen Staatskonzern Gazprom bis zum März 200 Millionen Dollar an ausstehenden Zahlungen zu überweisen.

Laut der Zeitung „Danas“ war Vucic wütend und verweigerte die Unterschrift, worauf Putin kurz darauf verkündete, dass Gazprom Serbien die Gaslieferungen um 28 Prozent kürzt. Die Versorgung sei trotzdem gesichert, entgegnete Vucic. Inzwischen hat er Putin zugesagt, bis zum Jahresende die Hälfte der Schuld abzutragen.

Der Premier hält Putins Forderung für unfair, weil Russland in Serbien bestens im Geschäft ist. Gazprom hält nämlich seit 2008 die Mehrheit am vormals staatlichen Mineralölunternehmen Nis. Der Verkauf von 51 Prozent der Aktien zum Preis von nur 400 Millionen Euro war offenbar politisch motiviert – Nis soll damals zwei Milliarden Euro wert gewesen sein.


Der IWF fordert Entlassungen

Jetzt untersucht eine Arbeitsgruppe im Innenministerium den Deal, der zur Zeit des Kosovo-Konflikts zustande kam, als Moskau die Position Belgrads stützte. Der serbische Finanzrat fordert unterdessen, möglichst schnell weitere staatliche Firmen zu verkaufen, nämlich die serbische Telekom, den Pharmahersteller Galenika und die Versicherung Dunav Osiguranje. Für das Stahlwerk in Smederevo gibt es bereits Interessenten.

Zurzeit verhandelt Belgrad mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) über neue Hilfen. Dabei erneuert der IWF seine Forderung, eine größere Zahl von Beschäftigten aus dem Staatsdienst zu entlassen. Womit sich die Regierung schwer tut, denn die Arbeitslosigkeit liegt 2014 bei knapp 20 Prozent – im EU-Land Kroatien sind es zum Beispiel 17,7 Prozent.

Der IWF stößt sich auch an der Klientelwirtschaft in Serbien. So bezahlt der Staat laut der Zeitung „Danas”, die sich auf einen ehemaligen IWF-Vertreter beruft, sage und schreibe 63.000 Berater, die im Jahr 700 Millionen Euro kosten. Dabei handelt es sich meist um Parteigänger, die von den wechselnden Regierungen mit Honorarverträgen ausgestattet wurden. „So ein Berater muss nichts arbeiten und nichts wissen, er muss nur irgendjemanden angeblich beraten”, sagte Wirtschaftsprofessor Ljubodrag Savic der Zeitung. Dabei seien fast alle Berater ohnehin durch einen Job im öffentlichen Dienst versorgt.

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Quellen:

Persönliches Gespräch mit Mischa P.

Wirtschaftsprognose der Kommission für die Mitgliedsländer (2014):

Weltbank zur Bevölkerungszahl Serbiens (2013):

Alle weiteren Quellen sind im Text verlinkt.


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