Putin zu Militärparade in Belgrad
Seit Tagen dröhnt der Himmel über Belgrad: Kampfflugzeuge üben den Formationsflug. Ihren großen Tag haben sie an diesem Donnerstag. Dann sollen auch Panzer über den Boulevard Nikola Tesla rollen, tausende Soldaten marschieren, Kriegsschiffe auf der Donau kreuzen, russische Fallschirmjäger abspringen. In der serbischen und ehemaligen jugoslawischen Hauptstadt findet nach 29 Jahren wieder eine Militärparade statt. Und zu Gast ist der russische Präsident Wladimir Putin, den die EU wegen seiner Verstrickung in den Ukrainekrieg mit harschen Sanktionen belegt hat.
Berlin gefällt das nicht. Am Montag forderte Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) den serbischen Regierungschef Aleksandar Vucic auf, die Sanktionen der EU nicht zu unterlaufen und keine Lebensmittel nach Russland zu liefern. Serbien hat sich der EU bisher nicht angeschlossen und verweist auf seine traditionell engen Beziehungen zu Russland. Bestärkt hat die serbische Regierung dagegen der österreichische Außenminister Sebastian Kurz. Putins Auftritt werde Serbien „keinerlei Schaden“ zufügen, sagte Kurz vergangene Woche, denn das Land verfolge einen klaren EU-Kurs.
In der Normandie wurde Putin auch nicht ausgeladen
Tatsächlich hatte Vucic einen handfesten Anlass, den russischen Präsidenten einzuladen. Mit der Militärparade gedenkt Serbien der Befreiung Belgrads von den Nazis vor 70 Jahren. Dabei kam die Rote Armee Titos Partisanen zu Hilfe, die unter Führung der kommunistischen Partei Hitlers Truppen fast im Alleingang aus Jugoslawien vertrieben hatten.
Aus Belgrader Sicht fällt Putins Besuch auch deshalb nicht aus dem Rahmen, weil dieser am 6. Juni auch an den Feierlichkeiten in der Normandie zum Jahrestag der Landung der Alliierten teilgenommen hat. „Wieso sollte Putin dann in Belgrad stören, das heimische antifaschistische Truppen zusammen mit der Roten Armee befreit haben?“, fragt die Zeitschrift „Vreme“.
Wurde die Parade extra für den Präsidenten vorverlegt?
In der serbischen Opposition stieß die Parade dennoch auf Kritik. Allerdings rieb sich etwa der Sozialdemokrat Marko Curisic nicht am Auftritt Putins, sondern an den Kosten bisher unbekannter Höhe – und das in einem Moment, in dem der Staat den Bürgern die Altersversorgung kürze. Ex-Verteidigungsminister Dragan Sutanovac (Demokratische Partei) monierte, dass die Regierung wegen Putins Terminkalender die Parade vorverlegt habe. Der Tag der Befreiung vom Faschismus ist nämlich erst am 20. Oktober, vier Tage nach der Parade.
Die Parade kann unterdessen als Indiz für die erstaunliche Wende gedeutet werden, die der serbische Premier, ehedem ein Nationalist, gerade vollzieht. So sind keinerlei Abzeichen der Tschetniks zugelassen, der serbischen Ultranationalisten, die im Zweiten Weltkrieg gegen Titos Partisanen gekämpft hatten und nach dem Zerfall Jugoslawiens in Belgrad wieder hoffähig wurden. Die Parade bleibt den Insignien der Partisanen vorbehalten. Bisher hatte Vucics Fortschrittspartei SNS den Sieg von Titos Volksbefreiungsarmee eher als kommunistische Okkupation interpretiert, nun entdeckt sie offenbar den Antifaschismus wieder. Dafür spricht auch, dass in Belgrad gerade zwei Straßen nach berühmten Partisanen benannt wurden. Ob die Militärparade auch ohne den Besuch Putins zustande gekommen wäre, ist allerdings fraglich.
„Der kommt nur wegen South Stream“
Die Mehrzahl der Belgrader hat offenbar nichts gegen die Parade, ist aber auch nicht begeistert. Die Sprachwissenschaftlerin Jovana (25) findet jeden Besuch eines Staatspräsidenten förderlich für die Entwicklung Serbiens, eine Studentin befürchtet dagegen, die Parade stärke den Autoritarismus im Lande. Choreograph Mischa (60) hält die Parade für reine Volksbelustigung. „Das sind Brot und Spiele“, sagt Mischa, „und Putin kommt nur wegen South Stream.“
Das ist die geplante russische Erdgaspipeline, die tatsächlich zum Stolperstein für Serbiens EU-Beitritt werden könnte. Denn die EU verlangt, dass die Verträge neu ausgehandelt werden; der russische Staatskonzern Gazprom dürfe als Gaslieferant nicht zugleich Betreiber der Pipeline sein. Bulgarien hat auf Druck der EU einen Baustopp verhängt, Serbien, Ungarn und Österreich zögern noch.