Russland

Streit um die 750-Jahrfeier Königsbergs immer kurioser

Kaliningrad (n-ost) Im Jahre 2005 könnte die Stadt Königsberg ihren 750. Geburtstag feiern. Könnte – denn die Planungen für das Jubiläum stolpern von einer tiefen Krise in die nächste. Der Feier, die das heute russische Kaliningrad als „Brücke zwischen Ost und West“ präsentieren sollte, droht die Absage. Seit Monaten tobt ein für Russland typischer Kampf zwischen Befürwortern einer Öffnung nach Westen und Veteranenverbänden.

Das 1255 vom böhmischen und damit slawischen König Ottokar II. gegründete Königsberg fiel als Folge des Zweiten Weltkrieges an Russland. Die Geburtsstadt Immanuel Kants wurde 1946 nach einem Getreuen Stalins in Kaliningrad umbenannt. Dennoch überzeugte der Gouverneur des Kaliningrader Gebietes, Wladimir Jegorow, die russische Führung zunächst davon, dass das Datum der deutschen Stadtgründung ein Anlass zu einer großer Feier sei. Vor einem Jahr erklärte der russische Premierminister Michail Kasjanow zur Stadtgründung: „Dies ist ein wichtiges Ereignis von weltweiter Bedeutung und Russland muss würdig daran erinnern.“ Jegorow hoffte vor allem auf einen Geldsegen aus Moskau und der EU für die aufstrebende Enklave an der Ostsee. Von 10 Milliarden Rubel (290 Millionen Euro) war die Rede, von denen Moskau nach früheren Berichten die Hälfte übernehmen wollte.

Doch die Planungen, die unter anderem die Rekonstruktion des Königsberger Speicherviertels, die weitere Renovierung des Domes und die Einrichtung eines Naturschutzgebietes vorsahen, sind in eine Sackgasse geraten. Zwar ist gerade unter der jungen Bevölkerung des Gebietes eine verblüffende Preussenbegeisterung zu bemerken, die Stadt wird oft liebevoll „Kjonig“ genannt. Aber die Veteranenverbände haben immer noch großen Einfluss auf die Politik. Aus Anlass eines Runden Tisches Ende 2002 liefen sie Sturm gegen die Erwähnung des Namens Königsberg. „Feiern ja, aber bitte schön den 750. Geburtstag Kaliningrads“ - so der seltsame Kompromiss. „Im Jahre 1946 verschwand Königsberg von der Karte Europas“, erklärte dazu Josif Schuster, Vorsitzender des örtlichen Veteranenverbandes, der 10.000 Mitglieder zählt.
Und nun kommen auch aus Moskau heftige Querschüsse. In einem Brief der Leiterin der Verwaltung des russischen Präsidenten, Larisa Brytschewa, vom 1. Mai heißt es plötzlich, dass es keine „ausreichenden historischen Voraussetzungen“ für die Feier des 750. Geburtstag der Stadt gebe. Der für finanzielle Hilfe notwendige Status eines „Gesamtgesellschaftlichen Feiertages“ wird abgelehnt, stattdessen die Feier des 60. Geburtstages Kaliningrads 2006 empfohlen.
Die Absage aus Moskau ist insofern kurios, weil die Gattin des russischen Präsidenten, Ludmilla Putina, eine gebürtige Kaliningraderin ist und als Ehrenmitglied dem Organisationskomitee der Feier angehört. Und um die Verwirrung noch zu erhöhen, hieß es aus dem Presseamt des russischen Präsidenten auf Nachfrage der Nachrichtenagentur Rosbalt, dass es bislang noch gar keine Entscheidung zur 750. Jahrfeier gebe.

Nun ist ein russisches „Njet“ noch lange kein „Nein“. Kaliningrads Bürgermeister Jurij Sawenko spekuliert darauf, dass die Entscheidung noch geändert wird. „An das Jubiläum werden wir so oder so erinnern“, gibt er sich trotzig. Auch der Kaliningrader Gouverneur Jegorow will die Feier nicht absagen, sondern allenfalls in die Feiern zum 60. Jahrestages der Erstürmung Königsbergs einbeziehen, der ja auch 2005 gedacht wird. „Unsere Stadt hatte ein sehr schweres Schicksal und die Diskussionen über ihre historische Rolle sind bis jetzt nicht verstummt“, wirbt er in einem Rosbalt-Interview auch in Richtung Westen um Verständnis.

Doch der bereits entstandene Schaden ist kaum zu reparieren. „Die Diskussion schreckt natürlich Leute ab. Man muss gut aufpassen, dass man nicht die nationalen Trompeten herausholt, sonst kommt gar keiner“, erklärte der Delegationsleiter der deutschen Wirtschaft in Kaliningrad, Stephan Stein, schon im März. Sollte es je Chancen gegeben haben, das aus Deutschland und Europa erhoffte Geld für die Feier zu bekommen, so dürften diese nunmehr auf Null gesunken sein.


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