Russland

Treffen zweier Literatur-Nobelpreisträger

Swetlogorsk (n-ost) Gleich zwei deutsche Literatur-Nobelpreisträger trafen Ende vergangener Woche im kleinen russischen Ostseebad Swetlogorsk, dem ehemaligen Rauschen, aufeinander: Günter Grass, Nobelpreisträger des Jahres 1999, blieb es als Ehrengast vorbehalten, einen Gedenkstein für Thomas Mann, Nobelpreisträger des Jahres 1929, zu enthüllen. Symbolträchtig war auch der Tag der Zeremonie: Der 6. Juni ist gleichzeitig Geburtstag Thomas Manns und Alexander Puschkins, des russischen Nationaldichters.
Mann hatte 1929 im ostpreußischen Rauschen seinen Sommerurlaub verbracht und dabei die berühmte Novelle „Mario und der Zauberer“ verfasst.
„Ironischerweise brauchte Mann die Distanz und hat ausgerechnet hier an der Ostsee einen Rückblick auf eine Italienreise gemacht“, schilderte Grass in einer kurzen Ansprache die Entstehungsgeschichte der Novelle. „Mann hat eine Parabel gefunden für die Verführungsmacht des Faschismus, der damals schon in Italien begann.“
Der Gedenkstein, ein rötlicher Findling, trägt ein aufgeschlagenes Buch aus Bronze. Auf einer Buchseite ist ein Porträt Manns zu sehen, die andere Seite zitiert ein auf Mann gemünztes Sonett des deutschen Expressionisten Johannes R. Becher in deutscher und russischer Sprache: „Du hast bewahrt der Sprache Heiligtum, Sie liebend so, wie der nur lieben kann, Der sie durchlitt, die heimatlosen Zeiten.“ Ergänzt wird dies durch eine Gedenktafel, die die Biographie Manns zusammenfasst.
Kritik an der Auswahl des Zitates, Becher war erster Kulturminister der DDR und galt als kommunistischer Staatsdichter, wies Grass zurück: „Becher ist für mich keine Unperson.“ An der Zeremonie nahmen neben Grass auch Vertreter der des russischen PEN-Clubs, der Stadt und der Kaliningrader Universität teil. Der Bürgermeister von Swetlogorsk lud Grass zu einem längeren Aufenthalt ein, „damit auch sie hier ein berühmtes Buch schreiben können“.
Der Gedenkstein wurde gemeinsam von russischen und deutschen Stiftungen bezahlt. Die Initiative ging von der Kaliningrader Germanistik-Professorin Viktoria Gawrilowa aus, die Grass für einen fünftägigen Aufenthalt im ehemaligen Ostpreußen gewinnen konnte. Grass hatte hier unter anderem aus seinem Buch „Im Krebsgang“ vorgelesen, das den Untergang der Wilhelm Gustloff und den Tod von 9000 Flüchtlingen beschreibt. Öffentlich wandte sich Grass dabei gegen ein Denkmal für den Gustloff-Versenker, den U-Boot-Kapitän Alexander Marinesko, das im Zentrum Kaliningrads steht. Außerdem appellierte der Nobelpreisträger an Studenten der Universität, das Verschweigen der Geschichte Königsbergs nicht hinzunehmen und den 750. Geburtstag der Stadt im Jahre 2005 zu feiern. Beides hat in der russischen Öffentlichkeit für Aufsehen und heftige Diskussionen gesorgt.


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