Trotz Reformen kaum Asyl
Es ist früher Morgen in der Katechaki-Straße, einer der vielbefahrenen Hauptverkehrsadern Athens. Eine lange Menschenschlange zieht sich den schmalen Bürgersteig vor der neuen Asylbehörde entlang. Flüchtlinge aus Asien und Afrika warten hier. Ein Mädchen aus Syrien steht mit seinem Vater und dem älteren Bruder ganz am Ende der Schlange. Seit mehr als zwei Jahren sind sie in Griechenland, erzählt die Zwölfjährige in gebrochenem Griechisch. In der Hand hält sie die Aufenthaltsgenehmigungen der Familie, die schon lange abgelaufen sind. „Ιch habe nicht einmal Papiere, um zur Schule zu gehen“, sagt das Mädchen.
Seit Jahren wird Griechenland regelmäßig wegen unmenschlicher Haftbedingungen, seines desolaten Asylsystems und seines Mangels an Unterbringungsmöglichkeiten für Schutzsuchende vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt. Anfang Juni wurde das System grundlegend reformiert, um den Zugang zum Asylsystem zu erleichtern und die Verfahren zu beschleunigen. In Athen wurde eine neue Asylbehörde geschaffen, zwei weitere Büros sind in Nordostgriechenland nahe der türkischen Grenze entstanden. Für die Prüfung der neuen Anträge ist seit Juni nicht mehr die Polizei verantwortlich, sondern auf die Asylthematik spezialisiertes Personal.
Die neue Behörde hat seit Juni mehr als 2.000 Asylanträge entgegengenommen, doch die Zuständigen haben bis heute aus bürokratischen Gründen keine einzige positive Entscheidung gefällt. Wie vor der Reform stehen jeden Tag hunderte Menschen vor dem Gebäude, in der Hoffnung, sich den Einlass in die Behörde zu erkämpfen. Täglich werden etwa 35 bis 45 Asylanträge aufgenommen. In mehr als 25.000 Altfällen stehen die Entscheidungen noch aus.
Im Hof der neuen Asylbehörde sitzt Mustafa zusammen mit seinen zwei kleinen Töchtern. Er ist erschöpft. Vor sieben Monaten ist er aus Afghanistan gekommen und lebt mittellos in Athen. Seine Frau hat es endlich nach Deutschland geschafft. Nun wollen er und die Kinder im Rahmen einer Familienzusammenführung nachkommen. Doch die Bürokratie nimmt kein Ende: „Seit sieben Monaten renne ich zusammen mit den Kindern von einer Behörde zur nächsten und ich bin trotzdem nicht sicher, ob es am Ende überhaupt klappen wird“, erzählt Mustafa. „Wenn ich gewusst hätte, wie schwierig es hier in Griechenland ist, hätte ich es nicht mal versucht, auf diesem Weg Schutz zu finden.“
Die neue Behörde wird zur Hälfte aus staatlichen Mitteln finanziert. Die andere Hälfte kommt aus europäischen Kassen. Das Geld reiche für die vorhandenen Bedürfnisse aber nicht aus, betont die Direktorin der neuen Asylbehörde, Maria Stavropoulou. „Der europäische Flüchtlingsfonds gibt Griechenland sehr wenig Geld. Aus diesem Fonds bezieht die Asylbehörde aber ihre Mittel”. Im Gegensatz dazu bekommt Griechenland viel mehr Geld aus dem Rückkehrfonds, der die sogenannten Rückkehr-Programme finanziert, erklärt sie. Viele der Asylsuchenden und Papierlosen entscheiden sich inzwischen dafür, in ihre Heimat zurückzukehren, weil sie die Hoffnung auf Schutz oder ein Leben in Würde in Griechenland aufgeben mussten angesichts der harten Lebensumstände, des wachsenden Rassismus und der Internierungspolitik der griechischen Regierung.
EU-Staaten wie Deutschland und Österreich hoffen, dass die EU das griechische Asylsystem so reformiert, dass sich die Situation für Flüchtlinge dort deutlich verbessert und die sogenannte Dublin-II-Verordnung für Griechenland wieder in Kraft treten kann. Diese EU-Verordnung, die vorsieht, dass dasjenige EU-Land, das ein Asylsuchender als erstes betreten hat, für seinen Asylantrag zuständig ist, ist seit 2011 für zuerst in Griechenland angekommene Flüchtlinge ausgesetzt.
Bislang aber scheint sich am Elend der Asylsuchenden in Griechenland trotz der Hilfe griechischer und europäischer Experten nichts geändert zu haben. Und so geht auch das kleine syrische Mädchen am Ende des Tages erfolglos wieder die Katechaki-Straße entlang nach Hause – in der Hoffnung, dass seine Familie es endlich schafft, einen Asylantrag zu stellen, und nicht wegen illegaler Einreise festgenommen wird.