Luschkows goldene Achillesferse
Wer in Moskau über die krummen Geschäfte Luschkows sprach, der landete immer schnell bei ihr: Jelena Baturina, 47 Jahre alt, Ehefrau des Bürgermeisters und drittreichste Frau der Welt. „Meine Frau ist ein sehr talentierter Mensch“, hat Luschkow über sie gesagt: „Wenn sie nicht meine Frau wäre, dann wäre sie noch reicher.“
Dieser Behauptung würden viele Moskauer widersprechen: Nach einer Umfrage des Lewada-Zentrums von Anfang 2010 sind 65 Prozent der Russen überzeugt, dass Baturina nur mit Hilfe ihres Ehemannes Milliardärin werden konnte. Dafür gibt es verschiedene Anhaltspunkte.
Baturinas Aufstieg begann 1991: Die Sowjetunion zerfiel, und die 28-jährige Wirtschaftsingenieurin, die aus einer einfachen Arbeiterfamilie stammte, heiratete den 27 Jahre älteren Juri Luschkow, damals noch Vize-Bürgermeister von Moskau. Im selben Jahr gründete Baturina die Firma Inteko, die in den 90er Jahren vor allem Gebrauchswaren aus Plastik produzierte. Reich wurde Inteko, als die Firma den Auftrag erhielt, acht Moskauer Fußballstadien mit Plastiksesseln auszustatten, darunter allein 85.000 Stück für das Stadion Luschniki.
Ende der 90er und erst recht in den Boomjahren seit der Jahrtausendwende stieg Baturina dann in das Baugeschäft ein. Inteko baute riesige Wohnviertel in Moskau, Bürotürme und städtische Bauten und avancierte schnell zu einem der größten Immobilienentwickler Russlands.
Baturina wurde reich. Sehr reich. Im Jahr 2010 schätzte Forbes ihr Vermögen auf 2,9 Milliarden Dollar – damit ist sie die drittreichste Frau der Welt. Nach offiziellen Angaben verdiente sie im vergangenen Jahr 750 Millionen Euro, Luschkow trug dagegen nur 400.000 Euro zum familiären Budget bei.
Die First Lady des Bürgermeisters hat wenig mit dem klassischen Bild einer russischen Frau gemein: Die Russen kennen sie nur im Hosenanzug, die blonden Haare zu einem Bubikopf frisiert. „Sie war eine graue Maus – aber mit scharfen Zähnen“, sagt ein ehemaliger Kommilitone über sie. Diese Zähne bekam sogar ihr älterer Bruder Wiktor zu spüren: Ihm gehörten 50 Prozent von „Inteko“, bis Baturina ihn 2005 aus dem Geschäft drängte.
Selbst die Wirtschaftskrise im Jahr 2008, die in Russland ehrgeizige Immobilieninvestments platzen ließ und Oligarchen in den Ruin trieb, ging an Inteko so gut wie spurlos vorüber. Die Zeitung „Wedomosti“ fand allerdings heraus, dass Baturina einen großen Teil der Schulden dadurch tilgen konnte, dass sie ein 58 Hektar großes Grundstück in Moskau zu stark überhöhten Preisen an die „Bank Moskaus“ verkaufte. Der größte Aktionär dieser Bank wiederum ist die Stadtregierung.
In den letzten Jahren behaupteten Geschäftsleute und Politiker immer wieder, für den Erfolg Baturinas sei maßgeblich die Ehe mit Luschkow verantwortlich. Die First Lady setzte sich dagegen mit Dutzenden Klagen zur Wehr, meist mit Erfolg.
Von der Politik hielt sie sich dagegen wohlweislich fern. Bis zuletzt: Aus einer Privatklinik in Österreich kommentierte sie per Skype, hinter der Kampagne gegen sie und ihren Mann stünden „bestimmte Funktionäre“ aus dem Kreml. Diese hätten Angst davor, dass der Bürgermeister sich bei den Präsidentschaftswahlen 2012 auf die Seite Putins stellen könnte. Deshalb drängten sie Dimitri Medwedew dazu, Luschkow vorsorglich aus dem Weg zu räumen.
Äußerungen wie diese könnten ihrem Mann zum Verhängnis geworden sein. Baturina, sagte der bekannte Duma-Abgeordnete Gennadi Gudkow am Dienstag, sei in der Causa Luschkow die „Achillesferse, die Luschkow letztlich zu Fall brachte.“