Luderschule in Moskau
Heute steht Filmanalyse auf dem Stundenplan. Im dunklen Kellerraum in einem Hof am Rande Moskaus schauen etwa 30 Frauen auf den Bildschirm. Dort läuft der Streifen „Italienische Verführung - School for Seduction“. In den Pausen zwischen den Filmabschnitten diskutieren die Damen in Miniröcken und Stöckelschuhen über die Filmfiguren und ihre Beziehungen. Es geht darum, das erlernte Material in der praktischen Analyse zu vertiefen.
Gepaukt wird hier das vom Schulgründer erfundene Fach „Luderologie“. Die Kursmodule heißen: „Selbst- und Männerwahrnehmung“, „Wie verliebe ich einen Mann in mich und führe eine harmonische Beziehung“, „Wie heirate ich erfolgreich einen standesgemäßen Mann“. Die Teilnahme an vier Abenden kostet im Durchschnitt 230 Euro. Das Ergebnis ist vielversprechend.
„Eine kluge Frau, ein Luder, bekommt immer, was sie will“, sagt der Gründer der Schule, Wladimir Rakowski. Egal, ob männliche Aufmerksamkeit, ein teures Geschenk oder sogar einen Heiratsantrag – mit der richtigen Taktik könne man alles erreichen. Laut dem studierten Psychologen kann eine Frau einen Mann steuern, wenn sie zur richtigen Zeit in die passende Rolle schlüpft. Diese Rollen seien: strenge Leiterin, sorgsame Mutter, braves und wahlweise schlaues Mädchen. „Wenn ein Mann nach einer Gattin sucht, sollst du ihm nicht über deinen Erfolg bei der Arbeit erzählen, sondern darüber, dass du Kinder magst“, lehrt der 45-Jährige.
Den theoretischen Unterricht ergänzt in der Luderschule ein praktischer Kurs in Verführungskunst. Er besteht aus Übungen in Catwalking, erotischem Tanz und Stilfindung. Diese Disziplinen unterrichtet Rakowskis Frau Jewgenja. „Wladimir erklärt, was man machen soll, um einen Mann zu manipulieren. Ich zeige, wie das in der Praxis geht“, sagt die 24-Jährige im Minirock.
Anja nach dem Besuch der Luderschule. Foto: privat
Das Äußere spielt bei der Männerjagd eine wichtige Rolle. Denn der Wettbewerb ist hart: Laut Statistik treffen in Russland 1.147 Frauen auf nur 1.000 Männer. Nicht nur deswegen wurde Rakowskis Geschäftsmodell zum Erfolg. Außer in Moskau gibt es Filialen in vier weiteren Städten Russlands und der Ukraine. Der Hauptgrund für den Zulauf sei aber die günstige Konjunktur auf dem russischen Brautmarkt, erklärt die Soziologin Elena Kotschkina. „In relativ kurzer Zeit ist hier ein Klan von männlichen Top-Verdienern entstanden“, sagt sie. Die Expertin für Genderfragen sieht die Entwicklung in Russland kritisch. Ihrer Meinung nach erlebt das Patriarchat seine Renaissance. Die Herstellung der unauffälligen Macht über Männer mit Miniröcken und Manipulation sei nur eine raffinierte Variante, die Frauen zu unterdrücken.
Dabei sind die Kursteilnehmerinnen keine oberflächlichen Barbies. Die meisten haben einen Job oder studieren. Eine davon ist Anja. Die 27-jährige Wirtschaftsprüferin besucht die Luderschule seit anderthalb Jahren. „Jetzt kann ich einen passenden Schlüssel zu jedem Mann finden“, sagt sie. Die männlichen Kollegen würden ihr seit Beginn des Schulbesuchs ständig Komplimente machen. Rakowski sei Dank. Denn er riet Anja, ihre Haare blondieren zu lassen. Mit dunklen Haaren habe sie zu streng ausgesehen, fand der Trainer.
Anja vor dem Besuch der Luderschule. Foto: privat
Trotz ihrer neuen Frisur hat Anja aber noch keinen Mr. Right gefunden. Ihren Traummann beschreibt sie so: äußerlich Sean Connery, innerlich „ein richtiger Mann“. Anja will mit ihm eine Familie gründen und ein eigenes Haus bauen. Nach der Filmanalyse zieht sie ein Fazit: „Wenn man etwas wirklich will, bekommt man das.“