Hotelkrise an der Schwarzmeerküste
Iwan Tanow sitzt im Geschäftszimmer seines Drei-Sterne-Hotels im bulgarischen Badeort Primorsko. Er zeigt auf zwei Papiertürme, die sich auf seinem Schreibtisch stapeln. „Das sind die Mahnungen von der Bank und die Rechnungen, die ich nicht bezahlen kann“, sagt er. „Jetzt ist Hochsaison, aber das Hotel ist fast leer“, klagt der Hotelbesitzer. „Ich warte auf ein Wunder. Sonst muss ich das Hotel verkaufen“.
Vor gerade einmal vier Jahren hat Iwan Tanow das kleine Familienhotel in Primorsko aufgebaut. Kurz vor dem EU-Beitritt Bulgariens 2007 schien alles möglich, erinnert er sich. Die Schwarzmeerküste galt als Geheimtipp für Anleger. Die Perspektive auf den EU-Beitritt ließ die Wachstumsprognosen in den Himmel schießen.
Das Geschäft lief zunächst gut. Iwan Tanow investierte, wie viele andere auch, jeden Cent in den Ausbau der Anlagen. Dass ihn der neue Swimming-Pool und die Wellness-Anlage heute in den Ruin treiben würden, damit hatte niemand gerechnet.
Die gefährliche Kombination von Überangebot, Kreditschulden und Touristenflaute haben seit dem Beginn der Wirtschaftskrise die Lage dramatisch verändert. Weil die Gäste ausbleiben, stehen immer mehr Hotels zum Verkauf.
Nikola Stojanow gehört zu den Gewinnern dieser Entwicklung. Der Geschäftsführer der Immobilienagentur „Bulgarian Properties“ sitzt am anderen Ende Bulgariens, 400 Kilometer von der Schwarzmeerküste entfern in der Hauptstadt Sofia, auf einem gepolsterten Ledersessel. „Wenn Sie in die Hotellerie am Schwarzen Meer einsteigen wollen, dann ist jetzt der richtige Augenblick“, rät er selbstbewusst. Die Preise haben den Boden erreicht. Die Krise habe viele Hotelbesitzer zugrunde gerichtet, sagt er. Sie hätten keine andere Wahl, als günstig zu verkaufen.
Die besten Verkaufschancen haben die Hotels in den bekannten Kurorten Sonnenstrand und Sosopol an der Südküste. Bezugsfertige Familienhotels in guter Lage seien hier schon für 150.000 Euro zu haben, sagt Stojanow. Und zwar in gutem Zustand: „Hotels, die in den letzten fünf Jahren gebaut wurden, entsprechen durchaus westeuropäischen Standards. Häufig sind sie sogar besser als westeuropäische Hotels in derselben Kategorie“, versichert er.
Stehen die Zeichen für mutige Anleger also wirklich auf Gewinn? Ja, meint Anna Rizova-Clegg von der Kanzlei DLA Piper in Bulgarien. Die Kanzlei befragte 417 europäische Hotelmanager nach den Investitionsmöglichkeiten in Europa. 22 Prozent nannten Osteuropa, darunter Bulgarien, als den Markt mit den besten Investitionschancen für die nächsten drei Jahre.
Das Immobiliengeschäft in Bulgarien hat allerdings einen Haken, erklärt Rizova-Clegg. Die hohen Kreditzinsen bulgarischer Banken, die nicht selten zwölf Prozent erreichen, sorgen für ein investitionsfeindliches Klima. Ausländische Banken wiederum ließen sich nur selten auf die Finanzierung von bulgarischen Immobilien ein, so die Expertin. „Cash is King“ laute folglich das Erfolgsrezept auch für die kommenden Jahre: „Angesichts der schlechten Finanzierungsmöglichkeiten haben nur solche Investoren gute Gewinnchancen, die über ausreichend eigene Mittel verfügen.“
Für Iwan Tanow wäre es eine Katastrophe, wenn sich die Lage nicht bessert. „Ich habe alles Geld investiert, was ich habe. Ich kann meine Kredite nicht mehr bedienen. Wenn ich nicht einmal einen Käufer für mein Hotel finde, bin ich am Ende“.