Kuppeln fürs Kino
Das Zauberwort heißt „Pitch“, zu deutsch anpreisen oder feilhalten. Dafür ist auch Kira Saxaganskaja von Moskau nach Cottbus gekommen. Doch was die russische Produzentin an den Mann bringen will, ist kein Gemüse sondern eine Idee. Für den neuen Film ihrer Produktionsfirma Rock Films. „Lilliputians“ ist der Arbeitstitel, in dem Regisseur und Lebensgefährte Alexej Uchitel die Geschichte eines kleinwüchsigen Mannes erzählen möchte, der sein Leben als Attraktion in einem Zirkus fristet. Vom Leben müde geworden, beschließt er zu sterben. Angemessen, in einem schwarzen Anzug. Denn er möchte nicht auch noch nach seinem Ableben zur Lachnummer werden. Doch auf seiner turbulenten Suche nach der angemessenen Bekleidung begegnet er der großen Liebe: „Die eigene Größe kann eben nicht in Zentimetern gemessen werden“, erklärt Kira Saxaganskaja.
Sie ist eine von 14 Filmschaffenden aus zwölf Ländern, die ihre Filmidee beim Ost-West-Koproduktionsmarkt „Connecting Cottbus“ im Rahmen des Osteuropäischen Filmfests einem Fachpublikum vorstellen. Denn ein Drehbuch in der Tasche zu haben, ist zwar gut, ohne finanzielle Unterstützer aber bleibt es oft in der Schublade liegen. Die richtigen Partner finden Regisseure ansonsten meist nur in stundenlanger Internetrecherche oder beim gesellschaftlichen Stelldichein auf Filmfesten und Veranstaltungen. Ein langwieriger Weg. „Hier in Cottbus treffen sich potentielle Partner auf engstem Raum. Das ist eine große Chance“, sagt Saxaganskaja. Anders als ein Großteil der Konkurrenz kann die Produzentin die Sache gelassen angehen: „Captive“, der letzte Film von Regisseur Alexej Uchitel, gewann im vergangenen Jahr das Cottbuser Filmfest, weitere seiner Filme feierten in Russland Erfolge.
Netzwerken in den Pausen – Der Koproduktionsmarkt Connecting Cottbus setzt auf das direkte Gespräch, um Ehen auf Zeit zu knüpfen / Melanie Longerich, n-ost
Die Chance finanzstarke oder kreative Partner für neue Ideen zu finden, würden viele Filmschaffende gern ergreifen. 54 Bewerbungen für neue Filmprojekte gab es in diesem Jahr. So viele wie noch nie. 12 Minuten hat jeder von ihnen Zeit, im „Pitch“ Produzenten, Filmförderer und Einkäufer für eine Zusammenarbeit zu interessieren: mit einer ungewöhnlichen Geschichte, Bildern möglicher Drehorte, gedrehten Filmsequenzen oder Musik. Die fehlenden Geldsummen für den Dreh werden dabei ebenso offen gelegt wie mögliche Schwächen des Projekts.
„Man offenbart alles“, bringt es Saxaganskaja auf den Punkt. Dabei müssen sich die Bewerber auch Kritik gefallen lassen: Thema zu langweilig oder schon bei anderen gesehen, zu unverständlich wegen der vielen Erzählstränge, für ein internationales Publikum nicht von Interesse. „Doch man kann auch viel lernen“, sagt die ukrainische Nachwuchs-Regisseurin Vera Yakovenko, die Partner für ihren ersten Spielfilm sucht. Wie all die anderen hofft sie, mit ihrer Geschichte auf Interesse zu stoßen.
Die das erreichen, kommen einen Schritt weiter – und haben die Chance, in der Königsdisziplin „One2One“ ihre Projekte dingfest zu machen. Nach dem öffentlichen Feilhalten folgen bei Interesse Einzelgespräche unter vier Augen. Wenige Minuten haben Produzenten dann die Chance, den Regisseur zu umwerben, bevor die Konkurrenz ihr bestes versucht. „Das ist wie Speed-Dating“, witzeln einige der Teilnehmer. Die Methode, bei der einsame Herzen die Gelegenheit nutzen, an einem Abend in zeitlich begrenzten Gesprächen eine möglichst große Anzahl potentieller Beziehungspartner kennen zu lernen, hat sich mittlerweile auch die Filmbranche zu Nutze gemacht. Kuppel-Börsen gibt es inzwischen einige, doch Cottbus hat die einzige, die auf das Netzwerken zwischen Ost und West spezialisiert ist.
Dass sich die Finanzierung der Filme durch mehrere Partner unterschiedlicher Länder mittlerweile durchgesetzt hat, kommt der Arbeit von Produzentin Kira Saxaganskaja entgegen. Ihr letzter Film „Captive“ war eine Koproduktion mit Bulgarien, nun hofft sie auf deutsche Partner. „Das finanzielle Risiko wird geteilt und das Budget breiter“, sagt sie – und ein einigermaßen ordentlicher Film koste mindestens zwei Millionen Euro. „Dazu kann ich mir das Publikum mehrerer Länder erschließen, weil der Film ja in den Ländern gezeigt wird, aus denen das Geld kommt und erhalte zusätzlich neuen künstlerischen Input“, so Saxaganskaja.
Wer Filmschaffende erfolgreich verkuppeln möchte, muss sein Handwerk verstehen. Gabriele Brunnenmeyer hat das als Beraterin in einer großen Filmförderanstalt von der Pike auf gelernt. In den kurzen Pausen, die sich die Chefin von Connecting Cottbus zwischen den einzelnen Terminen gönnt, spricht sie von Absatzmärkten, neuen Filmgesetz-Richtlinien nach der EU-Osterweiterung und der wachsenden Beliebtheit des osteuropäischen Films beim Publikum der Programmkinos: „Früher dachten beim Stichwort osteuropäischer Film viele an endlose schwarz-weiß Bilder vorbeiziehender Wolken. Doch Osteuropa hat Geschichten.“ Dass sich Connecting Cottbus von einem kleinen Kennenlern-Treffen zwischen osteuropäischen und deutschen Filmschaffenden zu einem etablierten Markt entwickelt, dafür ist Brunnenmeyer viel unterwegs, sucht auf Filmfestivals und Netzwerkbörsen in Osteuropa nach Partnern und Bewerbern und steht nach angebahnter Zusammenarbeit beratend zur Seite.
Der Einsatz wird auch auf der Leinwand sichtbar: Insgesamt 15 der 140 Filme, die derzeit auf dem Cottbuser Filmfest laufen, wurden unter ihrer Regie angebahnt: „Und die eingereichten Projekte sind mittlerweile so gut, dass sich die Jury schwer tut, sich auf 14 Zulassungen für den Pitch zu beschränken“, beobachtet Gabriele Brunnenmeyer.
Manfred Schmidt von der Mitteldeutschen Medienförderung, neben dem Medienboard Berlin Brandenburg einer der Hauptförderer der Koproduktionsbörse, spricht von einer Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Damit eine Filmidee Koproduktionspartner findet, muss das Thema auch ein Publikum außerhalb des eigenen Landes überzeugen. Auffällig oft stehe in diesem Jahr die Familie im Mittelpunkt vieler Geschichten – anders noch als vor elf Jahren, als sich Filmregisseure fast ausschließlich mit den harschen Umbrüchen von 1989 beschäftigten. Die hätten auch die dortigen Filmproduktionen schwer getroffen, die hauptsächlich staatlich organisiert gewesen seien, erklärt Manfred Schmidt. „Damals konnte Cottbus dazu beitragen, überhaupt erst neue Strukturen zu entwickeln.“ Das hat sich geändert. Inzwischen würden in Cottbus viele Koproduktionen ausschließlich unter osteuropäischen Ländern angebahnt, so Schmidt.
Für den Geschäftsführer ist bei Connecting Cottbus vor allem das Persönliche wichtig. „Koproduktionen sind anstrengend“, sagt er, „die Partner hängen oft auf Gedeih und Verderb zusammen. Da sollte die Chemie schon stimmen.“ Dass Koproduktionen gerade in Zeiten der Finanzkrise eine große Chance bieten, finanzielle Lasten gemeinsam zu schultern, steht für ihn außer Frage.
Davon ist auch die Moskauer Produzentin Kira Saxaganskaja überzeugt. Doch einen deutschen Koproduzenten zu finden, ist für sie nicht nur eine Frage des Geldes: „Russen und Deutsche sind sich ziemlich ähnlich, da wird es höchste Zeit, gemeinsam eine Geschichte zu erzählen.“