Steinmeier punktet in russischer Community
(n-ost) – Zumindest für seine Fotos bekommt der SPD-Kanzlerkandidat die beste Note: eine Fünf. Die 5 im Russischen entspricht der deutschen 1. Bei den Kommentaren bezüglich seiner Politik sind sich die Benutzer der populären russischen Online-Community Odnoklassniki.ru nicht einig. Frank-Walter Steinmeier gehört seit Anfang September zu den „Klassenkameraden“, wie die Seite übersetzt auf Deutsch heißt.
Screenshot vom Steinmeier-Foto auf odnoklassniki.ru, dass mit der Note „ausgezeichnet“ (5+) von den Usern bewertet wurde
Das Netzwerk zählt 37 Millionen Benutzer, darunter auch viele russischsprachige Menschen in Deutschland. Allein in der Gruppe „Odnoklassniki in Deutschland“ gibt es mehr als 17.000 Mitglieder. Der Kanzlerkandidat hat inzwischen 85 bestätigte Freunde, 3 Fotoalben und ist bei 26 Gruppen angemeldet. Darunter sind „Freies Deutschland“, „NEIN den Nazis!“, „Mann und Frau“ und „Russische Banja“.Als Status steht bei Steinmeier am 16. September in perfektem Russisch: „Diese Wahl ist nicht dazu da, um über das Schicksal der Parteien zu entscheiden, sondern dazu, um das Land aus der Krise zu holen!“ Auf seiner Pinnwand gibt es inzwischen mehr als 220 Einträge von Gästen. Der User Alexander kritisiert die Partei: „Seit die SPD an der Macht ist, machen sich Bekannte von mir mehr Sorgen um die Zukunft. Nicht zuletzt dank der SPD.“ Die 29-jährige Tatjana macht wie einst ihre Namensvetterin in Puschkins „Onegin“ ihr Brief-Geständnis: „Lieber Frank Steinmeier, ich wünsche Ihnen einen Sieg bei den Wahlen.“ Sie setzt ein Smiley in Form eines Herzes auf ihre Mitteilung. Der Kanzlerkandidat antwortet 18 Minuten später auf Russisch: „Tatjana, vielen Dank für Ihre Unterstützung!“Einige User zeigen sich ironisch: „Liebes Steinmeier-Team, werdet ihr auch nach den Wahlen hier aktiv auf unsere Fragen bzw. Anregungen reagieren?“ Andere zweifeln an der Authentizität des Profils: „Genauso ein Fake wie dieser Frank“, so kommentierte Userin Natalija ein Foto von Steinmeier.Die Seite ist aber nicht gefälscht. „Sie wurde von uns freigeschaltet“, bestätigt man in der SPD-Pressestelle. Das Profil wird von einem kleinen Team aus Frank-Walter Steinmeiers Wahlkampfbüro im SPD-Parteivorstand in Berlin betreut. „Wir sind seit zehn Tagen aktiv hier und haben fast tausend Gäste. Persönliche Briefe bekommen wir so viele, dass wir nicht mehr zählen. Wir schaffen es aber noch, allen zu antworten“, heißt es aus dem Steinmeier-Team. Es gebe keine andere fremdsprachige Seite von Frank-Walter Steinmeier. Denn die türkische Wählerschaft sei über die zahlreichen türkischen Medien in Deutschland informiert. Die Italiener, wie auch andere Europäer, nutzen vorwiegend dieselben Medien wie die Deutschen.
Screenshot von der Startseite des Profils auf odnoklassniki.ru
Das russische Steinmeier-Profil wirkt persönlicher als sein Account auf studiVZ. Auf der deutschen Seite sieht man den Kanzlerkandidaten auf Parteitagen, Pressekonferenzen und Wahlkampfveranstaltungen. Das russische Profil ist facettenreicher: Steinmeier als Fußballfan, Steinmeier als Koch, Steinmeier als Kind, Steinmeier als Jugendlicher. Auf dem Profilbild fährt der Außenminister lächelnd Fahrrad. „Jeder Text und jedes Foto ist von Steinmeier oder seinen engsten Mitarbeitern im SPD-Parteivorstand freigegeben“, erzählt ein Mitarbeiter des Online-Teams. In der SPD weiß man, dass Russlanddeutsche bei den letzten Wahlen vorwiegend CDU gewählt haben. Die Sozialdemokraten möchten nun den Kontakt zu der neuen Generation intensivieren.Der 29-jährige Russlanddeutsche Andrej Steinke aus Berlin ist skeptisch: „Dass Steinmeier sich ein Profil auf Odnoklassniki erstellen lassen hat, zeigt nicht, dass er an den Problemen der Russlanddeutschen interessiert ist. Es zeigt nur, dass sein Wahlkampfteam professionell arbeitet und alle Möglichkeiten auslutschen will, um mehr Stimmen zu bekommen.“ Steinke spreche die Steinmeier-Seite nicht an. Anders als eine 30-jährige Odnoklassniki-Nutzerin aus Düsseldorf. Sie meldet sich unter dem Namen Poker Face auf Steinmeiers Pinnwand: „Lieber Herr Steinmeier, meine Stimme haben Sie!“
Olga Kapustina
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