Obama in Moskau / zum 6. Juli
Mit dem dreitägigem Besuch von US-Präsident Obama in Moskau soll sich der Ton zwischen den beiden Ländern ändern.(n-ost) – US-Außenministerin Hillary Clinton will den „Reset-Knopf“ Beziehungen drücken, Präsident Obama und sein russischer Amtskollege Dmitrij Medwedjew freuen sich auf einen „Neubeginn“. Und Sergej Lawrow, der russische Chefdiplomat, prophezeit schon einen „Meilenstein“ amerikanisch-russischer Kooperation, bevor der Gipfel überhaupt begonnen hat. In ihrer Vorfreude auf den Montag beginnenden Moskau-Besuch Barack Obamas überbieten sich die Politiker gegenseitig.Die Hurra-Stimmung auf beiden Seiten macht es möglich, dass sich die Beziehungen beider Länder am Ende der Stippvisite langsam entkrampfen dürften. „Von diesem Treffen hängt viel ab“, sagt Alexander Rahr von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Es gehe um einen Stimmungswechsel in den Beziehungen der beiden Großmächte. Dass es zu handfesten politischen Abschlüssen komme, hält Rahr für unwahrscheinlich – zu festgefahren waren die diplomatischen Positionen beider Seiten während der vergangenen neun Jahre unter den Präsidentschaften der Hardliner George W. Bush und Wladimir Putin.Der erste Hemmschuh ist die maximalistische Strategie Moskaus: „Die Russen wollen ihre Probleme mit den Amerikanern alle sofort lösen“, sagt DGAP-Experte Rahr. Dabei gehe es insbesondere um die Raketenabwehranlage, die die USA in Polen und Tschechien stationieren will. Die Anlage wird in Moskau als eine gegen Russland gerichtete Präventivwaffe gesehen – und noch im vergangenen November hatte Präsident Dmitrij Medwedjew mit der Aufstellung von russischen Raketen in Kaliningrad gedroht, um die US-Pläne säbelrasselnd zu beantworten. Gebetsmühlenartig fordern russische Politiker, die Pläne fallen zu lassen. Würde sich Barack Obama darauf einlassen, wäre ihm politischer Widerstand in der Heimat gewiss.Es sei denn, die Russen zahlten für das Einstampfen der Raketenanlage einen hohen Preis. Zum Beispiel die Unterstützung des US-Kurses bei der Eindämmung des autoritären Regimes im Iran. Moskau müsste Sanktionen gegen das Mullah-Regime mittragen, was aber diplomatische Verwerfungen zur Folge hätte. Immerhin ist der Iran einer der wichtigsten Abnehmer russischer Waffen und Atomtechnik. Und für den Kreml, der noch Anfang Februar in einer Verteidigungsstrategie die USA zum potenziellen Gegner erklärte, ist der Iran bis dato ein verlässlicher Verbündeter beim Aufweichen der US-Vorherrschaft.Der zweite Bremsklotz beim Moskauer Gipfel dürfte die Selbstwahrnehmung der beiden Mächte sein. Auch unter Barack Obama tritt die US-Administration wie eh und je als Hegemonialmacht auf, die in Russland bestenfalls einen von vielen Regionalmächten auf dem europäischen Festland betrachtet. Schon diese als arrogant wahrgenommene Geringschätzung bringt in Russland jeden heimatverliebten Politiker zum Schäumen.Die Mächtigen von Moskau sehen ihr Land als wieder auferstandene Großmacht, die ein entscheidendes Mitbestimmungsrecht in einer multipolaren Welt für sich reklamiert. Und sich derweil im „nahen Ausland“ des postsowjetischen Raums dieselben Freiheiten herausnimmt wie einst die untergegangene Supermacht Sowjetunion. Etwa die Anerkennung der abtrünnigen Nachbarrepubliken Südossetien und Abchasien, um die im vergangenen August ein Krieg geführt wurde. Für die USA sind und bleiben die beiden Provinzen Teil Georgiens, die Anerkennung durch Moskau gilt auch unter Obama als Bruch des Völkerrechts. Berater wie Ariel Cohen von der Heritage-Stiftung raten dem Präsidenten, hart zu bleiben – und in Moskau die Rücknahme der Anerkennung zu fordern. „Das wird Moskau überhaupt nicht einsehen“, ist der deutsche Experte Alexander Rahr überzeugt. Die Russen verstünden nicht, weshalb ihnen Washington das Recht auf eine eigene Einflusssphäre verweigere.Die Streitpunkte, die beim Treffen der Präsidenten Obama und Medwedjew die Gemüter erhitzen werden, sind also dieselben geblieben. Ein Erfolg wäre es da schon, wenn die beiden Staatschefs in Abrüstungsfragen weiterkommen. Es wäre das Nullsummenspiel des Kalten Kriegs nach altbekanntem Motto: Wir rüsten ab, wenn ihr abrüstet. Rüstet ihr auf, rüsten wir auch auf. Am Ende würden beide Atommächte immer noch über genug Waffen verfügen, um sich zigfach gegenseitig vernichten zu können. Doch diesmal wäre ein Abrüstungsabkommen von symbolischer Bedeutung. Es würde zeigen, dass Russen und Amerikaner wieder vernünftig miteinander reden. Das wäre immerhin ein Anfang.Florian Willershausen
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