Russland

Sberbank lenkt bei Opel mit

Magna will Opel in die Zukunft führen – doch als große Anteilseigner geben die Russen den Ton an(n-ost) – Reichlich überraschend hat er am vergangenen Samstag ein Etappenziel erreicht: Das Konsortium unter Führung des Autozulieferers Magna, dem auch die russische Sberbank angehört, bekommt den Zuschlag für den Einstieg bei Opel. Dem kanadischen Zulieferer traut die Bundesregierung am ehesten zu, den Rüsselsheimer Autobauer zukunftsfest zu machen. Die Sberbank hingegen möge den Deal als Finanzinvestition betrachten und den Magna-Leuten das Lenkrad überlassen.Es ist unwahrscheinlich, dass German Gref sich daran hält. Russlands Sparkassendirektor ist nicht nur als äußerst ehrgeizig, sondern auch bestens politisch verdrahtet. In den Neunzigern saß er als Jura-Student in den gleichen Hörsälen der Petersburger Universität wie der heutige Premierminister Wladimir Putin, zu dem er nach wie vor einen engen Kontakt pflegt. Beobachter zweifeln nicht daran, dass der Opel-Einstieg in den Höhen der Moskauer Politik eingefädelt wurde.Die russische Industrie muss auf Weltmarktniveau gebracht werden – das ist der wirtschaftspolitische Marschbefehl, den Premier Putin und sein einstiger Minister German Gref ausgegeben haben. Dazu braucht das Land eine konkurrenzfähige Autoindustrie, zumal Russland wohl bald nach der Krise Europas größter PKW-Markt sein wird. Lada-Hersteller Awtowas, der einzige ernsthafte Wettbewerber am Markt, war zwar mit mehr 650.000 verkauften Fahrzeugen auch 2008 der mit Abstand größte russische Autobauer. Doch der Renault-Partner ist ineffizient, unproduktiv und baut Modelle weit unter dem Weltniveau. Folglich verliert Awtowas seit Anfang der Neunziger ständig Marktanteile an ausländische Hersteller, die zunehmend vor Ort fertigen.Die Hoffnung heißt GAZ, die Abkürzung für das Gorki-Autowerk im heutigen Nischnij Nowgorod, sechs Fahrstunden östlich von Moskau. Der Konzern baute früher den populären Sowjet-Mercedes „Wolga“, dessen Neuauflage namens „Siber“ im letzten Jahr gründlich floppte. Stattdessen verdient GAZ sein Geld mit Kleintransportern des Typs „Gazelle“. Allerdings mehr schlecht als recht, denn der Konzern hat mehr als eine Milliarde Euro Schulden angehäuft und bezahlt zum Teil seit einem Jahr die Rechnungen nicht. Auch deutsche Firmen sitzen auf ihren Außenständen – und liefern nicht mehr. Der klamme Oligarch Oleg Deripaska, der die Mehrheit an GAZ hält, ist auf Finanzhilfe der Regierung angewiesen. Ihm scheint Putin inzwischen so wenig zu vertrauen, dass Deripaska nicht einmal direkt an Opel beteiligt wurde. Die russische Trikolore wird in Rüsselsheim die Sberbank hissen.Trotzdem soll GAZ als „technologischer Partner“ der Sberbank die Opel-Modelle in Russland für Russland produzieren. Im Magna-Konzept ist davon die Rede, binnen fünf Jahren eine Million Opels über die russischen Fließbänder laufen zu lassen. Ob das jemals klappt, ist zu bezweifeln. Auf dem russischen Markt lassen sich dieses Jahr kaum mehr als eine Millionen Autos verkaufen. Selbst wenn das Marktvolumen nach der Krise wieder auf drei Millionen steigt, wird es Opel kaum gelingen können, ein Drittel des Marktes allein zu kontrollieren.Ohnehin fehlt dafür die Infrastruktur. GAZ verfügt derzeit über eine Kapazität von 300.000 Fahrzeugen im Jahr, allerdings vorwiegend für Kleintransporter. Der groß angelegte Um- und Ausbau der Gorki-Werke würde viele Kreditmilliarden kosten – Geld, das die Sberbank derzeit eher in die Rettung angeschlagener russischer Banken und die Finanzierung kleinerer Investitionsprojekte stecken könnte.Doch das Ziel, die einheimische Autoindustrie voranzubringen, ist festgemeißelt. Die Sberbank soll den Kraftakt finanzieren und wird hierfür als Staatsbank auch die nötigen Milliarden aus den Kreml-Kassen bekommen. Über das Kontrollpaket an Opel hat sich Gref das Recht verbrieft, auf deutsches Know-how zuzugreifen. Mit Argusaugen wird auch die Regierung darüber wachen, dass das auch wirklich geschieht.Ob das mittelfristig in Deutschland mehr Arbeitsplätze kosten wird als die angekündigten 2.200, bleibt abzuwarten. Bis dahin dürfen Magna-Manager den Opel-Konzern zwar eigenhändig steuern – die russischen Financiers werden ihnen aber sehr wohl ins Lenkrad greifen, denn auf Finanzinvestitionen lässt sich der Kreml nicht ein. Putins Kontrollstaat funktioniert nicht ohne Plan.Florian Willershausen
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