Serbien

„Keiner kann vorhersagen, was in Zukunft passiert“


Mladan Dinkic, stellvertretender Premierminister und Minister für Wirtschaft und Regionale Entwicklung in Serbien / Chrissi Wilkens, n-ost

ostpol: Herr Dinkic, wird Kosovo Teil Serbiens bleiben?

Dinkic: Die Entscheidung der Generalversammlung ist ein großer diplomatischer Erfolg für Serbien. Es ist sehr nützlich, dass ein Organ mit Gewicht über die Rechtmäßigkeit der unilateralen Erklärung der Unabhängigkeit des Kosovo entscheiden wird.

Welcher wird der nächste Schritt Belgrads auf diplomatischer Ebene sein?

Dinkic: Wir möchten unsere Diplomatie nicht auf Argumente stützen, die gegen die der EU sind. Demnächst müssen wir unsere gemeinsamen Punkte suchen. Wir haben bereits der EU vorgeschlagen, dass wir erst mit der Polizei- und Justizmission im Kosovo (EULEX) kooperieren werden, wenn diese Mission ein Mandat vom UN-Sicherheitsrat bekommt. Unsere Hände werden jedoch nicht gebunden bleiben. Wir werden die Umsetzung bestimmter multiethnischer Wirtschaftsprogramme für die Verbesserung der Lebensbedingungen aller Bürger des Kosovo vorschlagen. So etwas haben vielleicht viele nicht erwartet, aber es handelt sich um die Entscheidung einer neuen Generation von Politikern, die gelernt hat, auf eine andere Art und Weise zu denken.

Was für Programme sind dies?

Dinkic: Wir zielen darauf, in Kooperation mit der EU multiethnische Programme im Kosovo umzusetzen. Wir interessieren uns dafür, dass durch diese Programme einige multiethnische Gemeinschaften entwickelt werden, wie z.B. die Gemeinde Strpce. Dort soll allen Nationalitäten geholfen werden, einschließlich der in diesem Ort lebenden albanischen Minderheit. Die Bewohner von Strpce haben nicht genug Elektrizität. Unser Ziel also ist es zunächst, den Bau eines kleineren Wasserkraftwerks vorzuschlagen, das von der Öffentlichen Elektrizitätsversorgung Serbiens, von der EU und von der entsprechenden Organisation für Elektrizität des Kosovo finanziert wird.

Bedeutet diese Kooperation nicht eine indirekte Anerkennung Kosovos?

Dinkic: Nein, es bedeutet keine Anerkennung, sondern einen Versuch, die Lebensbedingungen der Bürger des Kosovo zu verbessern. Einerseits werden wir unsere These zum Kosovo-Status unterstützen, und anderseits werden wir eine konstruktive These bezüglich unserer Kooperation mit der EU haben, um die Probleme der Bürger des Kosovo zu lösen.

Glauben Sie, dass es zu einer Teilung des Kosovo kommen wird?

Dinkic: Keiner kann vorhersagen, was in Zukunft passiert. Am Ende, unabhängig davon, was die einen und die anderen Politiker wollen, wird das passieren, was natürlich ist und das, was über einen größeren Zeitraum lebensfähig ist.

Inwieweit hat die Bankenkrise die Wirtschaft Serbiens beeinflusst?

Dinkic: Sicher weniger als die Wirtschaften anderer europäischer Länder – in erster Reihe die der angelsächsischen. Damit wir die Folgen der Wirtschaftskrise unter Kontrolle bringen können, werden wir versuchen, die Etatdefizite von zwei Prozent des Bruttosozialprodukts, wie es dieses Jahr war, im nächsten Jahr auf mindestens ein Prozent zu reduzieren.

Gibt es Befürchtungen bezüglich der Pläne ausländischer Investoren in ihrem Land?

Dinkic: Dieses Jahr erwarten wir, dass die Investitionen auf vier Milliarden Euro steigen. Jetzt sind die Investoren besonders achtsam, später aber müssen sie irgendwo investieren. Und dann werden sie sicherlich nicht die USA auswählen – weil sie dort viel Geld verlieren werden – sondern Südosteuropa, Russland und Asien.

Warum sollte jemand in diesen Zeiten in Serbien investieren?

Dinkic: Serbien hat ein paar wichtige Vorteile im Vergleich zu anderen Ländern. Unser Bankensystem hat sich robuster erwiesen als andere europäische Bankensysteme, weil wir strengere Regelungen haben bezüglich der Zentralbank im Vergleich zu den Systemen anderer europäischer Staaten. Ein anderer Vorteil Serbiens ist, dass es das zweite europäische Land ist, das Exporte macht, ohne Zolle zu erheben, sowohl in die EU, als auch nach Russland. Aus diesen Grund schätzen wir, dass Serbien eine stabile Basis für den Export von Waren aus Serbien zu anderen Länder stellen wird. Das heißt, dass die Investitionen nicht nur für den Markt Serbien mit acht Millionen Einwohnern Bedeutung haben werden, sondern auch für die Märkte der EU und Russlands.

Wie sind ihre Schätzungen für deutsche Investitionen?

Dinkic: Für uns ist Deutschland einer der wichtigsten Partner für unsere Integration in den europäischen Institutionen. Zusammen mit Italien ist Deutschland eines der wichtigsten Handelspartner. Zwei Drittel der Gesamtausrüstung unserer Fabriken kommt aus Deutschland. Unser Ziel ist, eine Kooperation auf dem Gebiet der Autoindustrie zu entwickeln. Aus diesem Grund haben wir dieselben Bedingungen Volkswagen angeboten, wie wir sie FIAT angeboten hatten.


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