„Wir führen durch's Minenfeld der Innovation“
Interview mit dem Chef des neu gegründeten russischen Staatskonzern Rosnanotekh, Leonid Melamed (n-ost) – Der neu gegründete russische Staatskonzern „Rosnanothek“ ist der Riese in der Nano-Industrie. Um russische Start-Up-Unternehmen und ihre Hochtechnologieprodukte auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig zu machen, stellt der Konzern preiswerte Kredite zu Verfügung und verlangt im Gegenzug Minderheitenanteile. Die Regierung hat damit ein Instrument geschaffen, Innovationen zu fördern und gleichzeitig das Risiko der Unternehmer gering zu halten. Auch ausländische Projekte sollen teilfinanziert werden.Ein Interview mit Leonid Melamed, Chef von Rosnanotekh über die Strategien und Ziele des Konzerns.
Leonid Melamed
FOTO: Presseabteilung von RosnanotekhFrage: Welche Strategie verfolgt der Staat mit der Gründung eines solchen Staatskonzerns wie „Rosnanotekh“?
L. Melamed: „Rosnanotekh“ positioniert sich als Instrument zur Förderung der Staatspolitik auf dem Gebiet der Nano-Technologie. Wir beabsichtigen nicht, als Spieler auf dem Markt aufzutreten. Unsere Aufgabe ist es, durch den Aufbau der erforderlichen Finanzinstrumente Voraussetzungen zu schaffen, unter denen die Herstellung von Nano-Produkten einen Massencharakter annehmen kann. Frage: Was sind das für Instrumente?
L. Melamed: Wir haben die Möglichkeit, den Unternehmen sehr günstige Bedingungen anzubieten. Es handelt sich hierbei um sehr billiges Geld, viel billiger als bei Kommerzbanken. Wir können auch ungedeckte Darlehen gewähren. Unsere Investment-Erklärung verlangt jedoch im Gegenzug Minderheiten-Anteile bei den Investitionsvorhaben. Wir haben die Absicht, sofort auszusteigen, sobald das Unternehmen auf uns nicht mehr angewiesen ist. Hierbei beanspruchen wir keine Prämie für mögliche Risikovorhaben. Der Konzern soll eine normale Gewinnspanne haben und nicht die eigene Gewinnmaximierung anstreben. Kurz: Wir nehmen die Firmen bei der Hand und führen sie durch das Minenfeld der Innovation.Frage: Welche Firmen kommen da für Sie in Betracht, nur inländische?
Melamed: Wir haben schon Anfragen von ausländischen erhalten, die wir unter denselben Gesichtspunkten wie die der inländischen Unternehmen prüfen. Das Ergebnis soll die Produktion der Erzeugnisse innerhalb Russlands sein. Wir unterstützen derzeit alle Projekte, die Endprodukte auf den Markt bringen, unabhängig von deren Forschungsrichtung. Die Hauptsache ist, dass das Produkt auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig ist.Frage: Welche Rolle spielt die Nano-Technologie für die Entwicklung der russischen Wirtschaft und den Hochtechnologie-Markt?
L. Melamed: Im April vergangenen Jahres hat der Präsident die „Strategie für die Förderung der Nanoindustrie“ ins Leben gerufen und ein Gesetz über „die russische Staatskörperschaft für Nano-Technologien“ verabschiedet. Damit war die entsprechende Steuerungsstruktur für diesen Bereich geschaffen. Derzeit geht die Ausarbeitung des Programms für die Förderung der Nano-Industrie in Russland zu Ende. Demnach sollen bis einschließlich 2015 Nano-Tech-Produkte im Wert von über vier Trillionen Rubel (rund 108 Billiarden Euro) produziert werden. Frage: Welche Rolle spielt der Staatskonzern „Rosnanotekh“ im Rahmen dieser Staatsinitiative?
L. Melamed: Das Steuerungssystem für den Nano-Bereich umfasst zwei Hauptrichtungen: Die eine ist direkt für Forschung und Entwicklung zuständig. Dazu gehören Institute der Akademie der Wissenschaften und andere Forschungszentren. Als Dach-Forschungsanstalt, die die gesamte Forschungsarbeit koordiniert, gilt das Kurtschatow-Institut unter der Leitung von Michail Kowaltschuk. Die andere Richtung ist für die Kommerzialisierung der Entwicklungen sowie den Transfer dieser Technologien in die Industrie zuständig. Das übernimmt der Staatskonzern „Rosnanotekh“. Diese beiden Sparten werden vom Regierungsrat koordiniert, der vom stellvertretenden Premierminister Sergej Iwanow angeleitet wird.
Rosnanotekh auf dem internationalen Investitionsforum in St. Peterburg
FOTO: Simone SchlindweinFrage: Wie viel Geld haben Sie denn für Ihre Aufgabe zur Verfügung?
L. Melamed: Die russische Regierung hat uns vergangenes Jahr 130 Milliarden Rubel (rund 5,5 Milliarden Dollar) bewilligt. Das Geld haben wir schon erhalten und es liegt auf unseren Bankkonten. Doch das sind nur Mittel für die Kommerzialisierung. Die russische Regierung beabsichtigt, weitere fünf Milliarden Dollar in die Nano-Forschung und den Aufbau der Forschungsinfrastruktur zu investieren. Diese Programme sind für die nächsten vier Jahre angelegt.Frage: Wie steht es um die Relation zwischen Staats- und Privatinvestitionen?
L. Melamed: Im frühen Stadium sind die staatlichen Investitionen höher als die privaten. Aber die Aufgabe von „Rosnanotekh“ ist es, einen Punkt zu erreichen, an dem die Privatinvestitionen in die Nano-Industrie die Investitionen aus dem Staatshaushalt übersteigen. Diese Wende erwarten wir im Jahr 2015. Wir rechnen damit, dass Privatunternehmen bis dahin rund 800 Milliarden Rubel (rund 22 Milliarden Euro) in die russische Nano-Industrie investieren.Frage: Sie haben das Jahr 2015 angesprochen. In welcher Position sehen Sie Russland im Nano-Sektor dann auf dem Weltmarkt?
L. Melamed: Wir haben die Vision, im Jahr 2015 vier Prozent der weltweiten Nano-Produkte herzustellen. Die größte Herausforderung dabei ist die Sicherheit der Nano-Produkte. Und hier arbeiten wir Hand in Hand mit Kollegen aus anderen Ländern zusammen. Nur durch Vereinigung unserer Bemühungen kann man solche Sicherheitsstandards entwickeln. Unsere zuverlässigsten Partner sind die Europäer, allen voran die Deutschen.Frage: Was sind die größten Herausforderungen, denen Sie derzeit begegnen?
L. Melamed: Die größten Probleme sind tief in der Sowjetzeit verwurzelt. Damals haben wir keine innovative Investitionskultur entwickelt. Heute ist es wichtig, die Motivation für die Entwicklung dieser Kultur und somit den Einstieg in Innovationstechnologien wie die Nano-Technologie zu schaffen. Russische Unternehmen verdienen ihr großes und verhältnismäßig risikoloses Geld auf den Rohstoffmärkten. Das heißt, dass die Motivation, die wir für die Innovationsunternehmen schaffen, besonders kräftig sein muss. ENDENachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 259 32 83 - 0