DES DIKTATORS NEUE KLEIDER
Der weißrussische Präsident will mit Hilfe eines britischen PR-Beraters sein Image aufpolieren(n-ost) – Europas letzter Diktator mimt den Unerschütterlichen: Der Präsident von Weißrussland, Alexander Lukaschenko, sitzt unnahbar am oberen Ende des weißen Konferenztisches, an dem er seine Gäste aus England empfängt. „Ich möchte Sie einladen, in unsere Wirtschaft zu investieren“, wendet er sich an die Geschäftsleute. Er kann sich dabei jedoch kein Lächeln abringen.Neben ihm nickt der Imageberater Timothy Bell zustimmend. Zumindest er lächelt, denn Lukaschenko gehört nun zu seinen Kunden. Der britische Pate der PR soll dem autoritären Herrscher ein neues Gewandt verpassen, um das Image seines Landes aufzupolieren. Das ist keine leichte Aufgabe: Den USA gilt Weißrussland als „letzte Diktatur Europas“ und auch in Europa hält man das Regime gerne auf Distanz. Das soll Bell jetzt richten. „Er will, dass man sein Land besser versteht und seine Erfolge begreift“, erzählt Bell nach dem Treffen mit Lukaschenko in Minsk. Seine Werbestrategie will er nicht verraten, doch auf die Frage, ob er ihm zu einem Richtungswechsel rät, antwortet er: „Natürlich. Aber unsere Arbeit ist mehr eine Erweiterung der Politik, anstatt Politik selbst.“ Rainer Lindner, Weißrussland-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, vermutet, dass es sich bei dieser PR-Kampagne um reine Fassadenmalerei handelt. „Aus diesem Regime kann man kein liberales Land machen, egal wie viele PR-Manager man beschäftigt“, sagt er. Der weißrussische Präsident habe schon einmal einen italienischen Berater angeheuert, erzählt er: „Das war ein Schuss in den Ofen.“ Doch „Lord Bell“, so sein Spitzname, hat schon einige Herausforderungen gemeistert: Einst entwarf er Margaret Thatchers Wahlkampagnen, 1996 verhalf er Boris Jelzin zu einer zweiten Amtszeit. Vom Sultan von Brunei, über die irakische und die saudi-arabische Regierung bis hin zu Rupert Murdoch – er hat sie alle beraten. Den jüngsten Coup landete er im Fall Alexander Litwinenko. Seine Agentur, Bell Pottinger, bot den Verwandten des durch Polonium vergifteten Strahlenopfers ihre Dienste an. Der haarlose Litwinenko beschuldigte noch auf dem Sterbebett den russischen Geheimdienst, ihn vergiftet zu haben. Das Foto ging um die Welt. Der russische Außenminister, Sergej Lawrow, schimpfte auf die Bilderflut als „unakzeptable Kampagne“ gegen Russland. Außerdem gilt Tim Bell als angeblicher Freund des russischen Oligarchen Boris Beresowski. Der Milliardär gilt als einer der Hauptfeinde des Kreml und lebt freiwillig im Londoner Exil. Für Europa sei Tim Bell somit kein schlechtes Signal, meint Lindner. Er hätte auch einen Spin-Doktor aus Moskau anheuern können. „Lukaschenko will mit Hilfe von Bell verstehen, wie der Westen tickt“, sagt der Politikwissenschaftler und Vorsitzende der deutsch-belarussischen Gesellschaft. Um eine Öffnung gegenüber der Europäischen Union, so scheint es, kommt Weißrussland derzeit nicht herum. Denn an der östlichen Grenze kriselt es gewaltig. Seitdem Russland der Nachbarrepublik die Vergünstigungen für Öl und Gas gestrichen hat, sind die Verbraucherpreise stark gestiegen. Lukaschenkos Beliebtheitswerte fielen daraufhin stark, sie liegen nur noch bei 30 Prozent. Mit dem Amtsantritt des neuen russischen Präsidenten Dmitri Medwedew, der sich als Gasprom-Aufsichtsratschef mit Lukaschenko angelegt hatte, sind die Beziehungen zu Russland „an einem Tiefpunkt und können schlechter nicht werden“, so Lindner. Lukaschenko, der scheinbar Unerschütterliche, fühlt sich isoliert. „Das Regime hat Existenzprobleme“, stellt der Weißrussland-Experte fest. Also soll PR-Berater Tim Bell eingreifen und europäische Investoren ins Land locken. Die Frage, so Lindner, sei nun, wie die EU mit den neuen Möglichkeiten wirtschaftlicher Kontakte umgehe. Weißrussland spielt als Transitland eine wichtige Rolle. Mit über 300 Kooperationen ist Deutschland bereits ein wichtiger Wirtschaftspartner in Europa. „Die leichte wirtschaftliche Öffnung bedeutet noch keine Liberalisierung“, warnt Lindner. Selbst wenn einige Regime-Gegner aus den Gefängnissen freikamen, scheinen grundlegende politische Reformen nicht auf dem Programm zu stehen. So könnte Lukaschenkos Versuch der Image-Aufbesserung enden wie im Märchen „Des Kaisers neue Kleider“. Nachdem sich der Herrscher Gewänder aus unsichtbarem Stoff weben lässt, erwähnt er aus Eitelkeit nicht, dass er die Kleider nicht sehen kann. Und auch die Menschen mimen Begeisterung. Der Schwindel fliegt erst auf, als ein Kind ausruft, der Kaiser habe gar nichts an. ENDENachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 259 32 83 - 0