Russland

Russland und USA beschließen Atomdeal

Zwei Atomreaktoren werden geschlossen, dafür liefert Russland angereichertes Uran in die USA Jahrelange Verhandlungen waren vorausgegangen, am Ende dauerte es dann nur noch 40 Minuten, ehe ein Atom-Deal zwischen Russland und den Vereinigten Staaten perfekt war: Russland wird voraussichtlich zwei seiner Plutonium-Reaktoren sechs Monate früher als geplant abschalten - die USA importieren dafür mehr angereichertes Uran aus Russland. Darauf einigten sich der Chef der russischen Atomenergiebehörde Rosatom, Sergej Kirijenko, und der amerikanische US-Energieminister, Samuel Bodman, bei einem Treffen vergangene Woche in Washington, wie jetzt bekannt wurde. Voraussichtlich in den nächsten Monaten will Rosatom die beiden Reaktoren in der westsibirischen Stadt Sewersk vom Netz nehmen. Ein dritter Reaktor in der ehemaligen geheimen Stadt Schelesnogorsk bei Krasnojarsk soll Ende nächsten Jahres abgeschaltet werden. Die Verhandlungen liefen seit Jahren: "Es war ein Auf- und Ab, die Russen endlich dazu zu bekommen, die Reaktoren abzuschalten", sagt der Matthew Bunn, Experte für die Nichtverbreitung nuklearer Materialien, und Mitarbeiter des Projekts "Managing the Atom" an der Universität Harvard. Seit dem Kollaps der Sowjetunion verfolgt die Projektgruppe Russlands Umgang mit nuklearem Waffenmaterial. Sein Fazit: "Diese Plutonium-Produktionsanlagen sind womöglich die unsichersten Reaktoren der Welt."  Doch nicht allein das Risiko einer nuklearen Katastrophe wie in Tschernobyl 1986 stand für die USA im Vordergrund. Vielmehr besteht die Gefahr, dass das in den Anlagen produzierte Plutonium in die Hände von Terroristen gelangt. So war die Diskussion um verbesserte Sicherheitsmaßnahmen - wie beispielsweise Zäune, Wachposten und Alarmsysteme - ein zentraler Punkt der Verhandlungen in Washington. Kirijenko habe Bodman sein Wort gegeben, er werde bis zum Ende des Jahres das Nötigste tun, um die Anlagen besser überwachen zu können, meldet die amerikanische Nachrichtenagentur AP. Dass von russischen Plutonium-Reaktoren eine ernsthafte Gefahr ausgeht, zeigt ein Fall, der sich vor vier Wochen in Zentralasien ereignete: Zollangestellte fanden radioaktives Material in einem Zug, der von Kirgistan nach Iran unterwegs war. Die Presseabteilung des kirgisischen Präsidenten erklärte, der Zug mit der verbotenen Fracht sei in Usbekistan abgefangen und zurückgeschickt worden. Nun werde eine Untersuchung eingeleitet. Es ist wahrscheinlich, dass das nukleare Material aus russischen Anlagen stammt. Obwohl die russische Regierung zugestimmt hatte, insgesamt 34 Tonnen waffenfähiges Plutonium zu vernichten, produzieren die drei sibirischen Atommeiler jährlich 1,2 Tonnen neues Plutonium. Rosatom hatte sich geweigert, die Reaktoren vorzeitig abzuschalten, um die Stromversorgung der sibirischen Städte nicht zu gefährden. Erst müssten zwei neue, fossile Brennstoffanlagen fertig gestellt sein. Immerhin, so erklärte Kirijenko seinem amerikanischen Kollegen, würden die Atomanlagen derzeit nur noch halb soviel Plutonium produzieren wie einst. Um die Fertigstellung der alternativen Kraftwerke zu beschleunigen haben die Vereinigten Staaten finanzielle Hilfe versprochen. Gleichzeitig unterzeichnete Kirijenko vergangene Woche in Washington einen weiteren Vertrag mit dem amerikanischen Handelsminister Carlos Gutierrez. Das Abkommen erlaubt Rosatom, angereicherten Uranbrennstoff direkt an amerikanische Atomanlagenbetreiber zu verkaufen. "Die Vereinbarungen werden den bilateralen Handel mit russischem Uran für friedliche Zwecke erhöhen", sagt Guterriez. Außerdem gewährleiste dies die Versorgungssicherheit amerikanischer Anlagen mit angereicherten Brennstoffen. Der Uranbrennstoff stammt aus ehemaligen nuklearen Sprengköpfen, die im Rahmen des Programms "Megatonnen für Megawatt" wiederverwertet werden.  Bislang hatte die US-Regierung den Direktverkauf von angereichertem Material untersagt - aus Angst, Russland könne konkurrierende, amerikanische Urananreicherungsanlagen mit Dumpingpreisen unterbieten. Derzeit garantiert eine Vereinbarung aus dem 1992 fixe Preise. Vom Jahr 2014 an werde der Umfang der Direktauslieferung von angereichertem Uran rund 20 Prozent des Marktes ausmachen, sagt ein Sprecher von Rosatom. "Jede fünfte amerikanische Atomanlage funktioniert dann dank der russischen Lieferungen."Die sogenannte Staatscorporation Rosatom ist die atomare Version des Gasgiganten Gazprom. Die staatlich kontrollierte Aktiengesellschaft ging im Dezember per Präsidentendekret aus dem Zusammenschluss sämtlicher ziviler und militärischer Atominstitutionen hervor, darunter Atomanlagen, Rechercheinstitute und Einrichtungen, die mit der Sicherheit der Anlagen betraut sind. Im Aufsichtsrat des Nuklear-Superkonzerns sitzen neben dem Vorsitzenden Sergej Sobjanin, Chef der Präsidialadministration, auch Vertreter des Geheimdienstes FSB, des Verteidigungsministeriums und des Ministeriums für Handel und wirtschaftliche Entwicklung. Das Herzstück von Rosatom ist die Firma Atomenergoprom, die nun mit einem jährlichen Absatz von acht Milliarden US-Dollar den Weltmarkt erobern will. Der Einstieg in den amerikanischen Markt ist bereits gelungen, als nächstes will sich Rosatom eine starke Stellung auf dem europäischen Atomsektor sichern. Laut Kirijenko sind die Haupt-Konkurrenten das Gemeinschaftsunternehmen des französischen Nuklear-Konzerns AREVA NP und Siemens. 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