Made in Germany auf der russischen MAKS
Auf der Luft- und Raumfahrtmesse bei Moskau spielen die Deutschen ganz vorne mitMoskau (n-ost) - "Wir müssen die Russen Ernst nehmen und als Partner hundertprozentig respektieren", sagt Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzek auf seinem Rundgang über die Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung MAKS bei Moskau. "Wir haben 15 Jahre lang in Deutschland gedacht: Die Russen liefern uns die Rohstoffe und wir müssen zu Weihnachten ein Paket schicken." Diese Zeiten seien jetzt vorbei. Deutschland müsse dazu übergehen, seine Interessen in Russland zu vertreten, fordert er. Deswegen hängt das schwarz-rot-goldene Banner mit der Schrift "Made in Germany" deutlich sichtbar fast an der Hälfte der Stande in der großen Aussteller-Halle, in der sich die ausländischen Firmen präsentieren. Aus ganz Deutschland kommen die Firmen: aus Berlin, Brandburg, Remscheid oder Bremen. Doch sie zeigen nicht nur deutsche Firmennamen, sondern auch deutschen Service und deutsche Sorgfalt an den sauber aufgeräumten Ständen und der Informationspolitik: Ganz nach deutscher Manier gibt es für jeden Bereich einen zuständigen Absprechpartner. Das ist besonders beim europäischen Giganten EADS der Fall, der gleich am Eingang seine Modelle aufgebaut hat.
MASK in Moskau
Simone Schlindwein
Peter Dobbelog ist für die Zusammenarbeit mit Russland in einem neu geschaffenen Bereich zuständig. Im März dieses Jahres hat EADS den Joint-Venture-Vertrag mit dem russischen Kooperationspartner Irkut abgeschlossen. Gemeinsam bauen sie in Zukunft das Passagierflugzeug A 320 zu Frachtmaschinen um, unter anderem für den Paketvertrieb von Fedex. 2010 soll der erste Prototyp zuerst in Dresden umgerüstet werden, ab 2014 schließlich auch 17 Maschinen pro Jahr in Lukhowitsij bei Moskau.Hinter den großen und teuren Ausstellungsständen des europäischen Megakonzerns, an denen sich die meisten Interessenten tummeln, halten auch deutsche Vertreter mittelständischer Unternehmen schwitzend bei über 40 Grad durch. Im Gegenteil zu EADS locken sie die Besucher mit kaltem Eistee und Salzbrezeln an ihre Ausstellungstische.Deutsche Firmen wie RUAG mit Sitz in Wessling profitieren nicht nur von dem Aufschwung der russischen Rüstungsindustrie, sondern davon, dass in Russland die Nachfrage nach Service-Leistungen wächst. RUAG wartet derzeit zehn Businessjets der Luxus-Klasse von russischen Privatpersonen jedes Jahr. "Wir rechnen damit, dass sich die Zahlen in den nächsten Jahren mehr als verdreifachen", strahlt Bernd Sonntag, der bei RUAG für den Service zuständig ist. Bald sollen die reichen Russen 15 Prozent ihrer festen Kunden jährlich ausmachen, Tendenz stark steigend.Arnd Balzreiter-Kelter von der mittelständischen Firma Leistritz mit Standorten in Remscheid und Nürnberg freut sich besonders über den russischen Einstieg auf dem internationalen Markt der Zivilflugzeuge. Die Leistritz Turbinenkomponenten GmbH fertigt die sogenannten Verdichtungsschaufeln für das Triebwerk des neuen russischen Superjets. RUAG liefert dem französischen Triebwerkshersteller Snecma der Safran AG Nickelschaufeln für den Verdichter. Snecma baut mit dem russischen Produzenten Saturn gemeinsam das Triebwerk für den Regionaljet. Doch Balzreiter-Kelter hat nicht nur Gutes zu berichten. Seit Jahren versucht Leistritz einen Vertrag mit dem führenden russischen Triebwerkshersteller Saljut abzuschließen. "Die Gespräche sind zäh und kompliziert, wir wissen noch nicht, wann endlich ein Vertrag abgeschlossen werden kann", seufzt er. Das Gegenteil kann Indulis Kalnins von der Cosmos Space Systems AG in Bremen am Stand nebenan berichten. Seine Schweißperlen auf der Stirn strahlen förmlich, als er auf die Zusammenarbeit zu sprechen kommt. Der Mutterkonzern OHB-System mit Sitz in Bremen entwickelt für die Bundeswehr Aufklärungssatelliten und schießt sie mit russischen Raketen in die Erdumlaufbahn. Trotz der Sicherheitsvorkehrungen funktioniere die Zusammenarbeit einwandfrei, erklärt er.Der nächste Start der insgesamt sechs Sar-Lupe Satelliten wird voraussichtlich im November stattfinden.
Selbst die ungewöhnliche, trinationale Zusammenarbeit zwischen Deutschland, Russland und den USA, die OHB-System angeschoben hat, funktioniere sehr gut, sagt Kalnins. Gemeinsam fertigen die drei Partner Kommunikationssatelliten für SMS- und Internetverkehr. Auch hier hat jeder seinen Zuständigkeitsbereich: Die amerikanische Firma Orbitel Science fertigt die Kommunikations-Elektronik im Satellit, die Russen das Außengerüst des Satelliten und die Deutschen bauen die Einzelteile dann in Bremen zusammen. Kalnins schwört vor allem auf die Zuverlässigkeit der russischen Partner. Das sei das Ergebnis einer 13-jährigen Zusammenarbeit, sagt er.Auch Andreas Schütz vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) schwärmt davon, dass man sich auf die Russen hundertprozentig verlassen kann, wenn es um Satelliten und deren Trägersysteme gehe. "Die Starts klappen wie ein Uhrwerk, darauf kann man zählen", ist er beigeistert: "So macht man Raumfahrt!" Dementsprechend haben das DLR und sein russischer Partner Roskosmos am Donnerstag zwei Verträge zum Transport von Geräten in die Erdumlaufbahn unterzeichnet.Nicht ganz so begeistert von diesem Boom der Russen im Luft und Raumfahrtsektor ist der Direktor der Messe Berlin, Stefan Grabe. Nachdem Präsident Wladimir Putin bei seiner Eröffnungsrede angekündigt hat, die MAKS solle bald den anderen Luft- und Raumfahrtmessen wie im französischen Le Bourget und in Berlin Konkurrenz machen. "Der mitteleuropäische Markt boomt nicht so sehr wie der russische Markt", erklärt Grabe. Die MAKS könne der ILA in Berlin den Rang ablaufen, muss er zugeben.Gleichzeitig betont er, dass die Russen mit dem deutschen Service auf keinen Fall mithalten können. Dabei blickt er auf den triefendnassen und schmutzigen Teppichausleger vor dem ILA-Stand. Am Morgen ist in der Halle der ausländischen Aussteller eine Wasserleitung geplatzt und das Wasser floss durch die Gänge. "Die russische Infrastruktur hat sich nicht so sehr verbessert", sagt er. Aber auch von diesem Problem können die Deutschen wieder durch ihren Service profitieren: Die Messe Berlin berät seit Jahren den Veranstalter der MAKS.ENDE
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