Russland

Menschenrechtsgruppe in Russland droht das Aus

Behörden schließen "Internationale Jugendbewegung für Menschenrechte" per Gerichtsbeschluss

Woronesch (n-ost) - Einer weiteren, großen Menschenrechtsorganisation in Russland droht das Aus: Wie erst jetzt bekannt wurde, entschied das Stadtgericht der Wolga-Stadt Nischnij Nowgorod bereits am 13. Juni,  die "Internationale Jugendbewegung für Menschenrechte" (MMPD) zu schließen. Die Nichtregierungsorganisation (NGO) hat eines der wirksamsten Menschenrechtsnetzwerke in Russland aufgebaut. Die Ausbildungsseminare der MMPD haben in den vergangenen Jahren mehrere tausend Jugendliche durchlaufen, über eintausend Personen beteiligen sich an öffentlichen Kampagnen für den Schutz und die Verbreitung der Menschenrechte in Russland und dem postsowjetischen Raum.Diese Tätigkeit muss nun von Rechts wegen eingestellt werden. Mit dieser Entscheidung entsprach das Gericht einem Antrag der Regionalabteilung der Zentralen Registrierungsbehörde für gesellschaftliche Organisationen FRS. Die FRS-Abteilung Nischnij Nowgorod bemängelte, dass das MMPD seit 2001 keine Tätigkeitsberichte eingereicht habe. Damit hätte das die "Internationale Jugendbewegung" gegen das russische Gesetz über gesellschaftliche Organisationen verstoßen, was in der Tat die Schließung nach sich ziehen kann.MMPD-Aktivistin Alexandra Jaroslawzowa hält den Gerichtsbeschluss für "derart absurd, dass die Entscheidung einer juristischen Anfechtung nicht standhalten kann". Es sei denkbar, dass es sich bei der Entscheidung um einen politischen Fall handelt, der in eine zunehmend repressive Praxis des russischen Staats gegenüber unabhängigen gesellschaftlichen Organisationen passen würde.Das Netzwerk "Jugendbewegung für Menschenrechte" ist seit 1998 als juristische Person eingetragen. Jaroslawzowa zu Folge wurde im Jahr 2004 das bis dahin nationale Netzwerk von den Mitgliedern selbst geschlossen und als neues, internationales Netzwerk MMPD registriert. Seither habe die MMPD, dem russischen NGO-Gesetz entsprechend, Tätigkeitsberichte bei der für internationale Organisationen zuständigen FRS Moskau eingereicht. Tätigkeitsberichte für die Jahre 2001-2003 habe die MMPD jedoch nicht einreichen können, da die Organisation in diesen Jahren noch nicht gegründet war. Für die folgenden Jahre lägen die Berichte bei der FRS in Moskau. Jaroslawzowa vermutet, dass die FRS-Abteilungen in Moskau und Nischnij Nowgorod schlichtweg nicht in Verbindung stehen.Von der eigenen Schließung erfuhren die MMPD-Mitarbeiter rein zufällig. Eine Einladung zur Gerichtsverhandlung am 13. Juni hatten sie nicht erhalten. Das Schreiben, in dem das Stadtgericht Nischnij Nowgorod dann die Schließung mitteilte, wurde zudem nicht an die eingetragene Adresse der MMPD, sondern an die ehemalige Privatadresse der ehemaligen Leiterin von MMPD geschickt. Diese fand den Brief erst vor wenigen Tagen bei einem Besuch in ihrer alten Wohnung in der Stadt Dserschinsk. Die offizielle Frist für Rechtsbehelfe gegen die Gerichtsentscheidung war an diesem Tag allerdings bereits verstrichen.In den nächsten Tagen wollen Juristen der MMPD die Entscheidung dennoch formal und inhaltlich anfechten. Doch selbst wenn der ursprüngliche Gerichtsbeschluss in einem halben oder einem Jahr gekippt wird, könnte es für die MMPD zu spät sein. Denn während das Verfahren noch läuft, kann täglich die Kündigung der Bankkonten der Organisation ins Haus flattern. Ohne Bankverbindung könnte MMPD keine Spenden einnehmen und damit weder seine Mitarbeiter noch die Telefonrechnung noch Büroräume bezahlen. Die legale Arbeit käme praktisch zum Erliegen.Parallel zu den juristischen Schritten arbeiten die MMPD-Aktivisten mit Partnerorganisationen aus Europa an einer überregionalen Solidaritätskampagne. "Wir hoffen, die Aufmerksamkeit der internationalen Öffentlichkeit nicht nur auf die Schließung dieser Organisation, sondern vor allem auf das allgemeine Problem der Unterdrückung der Zivilgesellschaft im gesamten postsowjetischen Raum zu lenken", meint Alexandra Jaroslawzowa. Die junge Frau klingt jedoch nicht allzu optimistisch, als sie feststellt: "Die Situation in Russland ähnelt immer mehr und mehr der in Weißrussland."*** Ende ***--------------------------------------------------------------------
Wenn Sie einen Artikel übernehmen oder neu in den n-ost-Verteiler aufgenommen werden möchten, genügt eine kurze E-Mail an n-ost@n-ost.org. Der Artikel wird sofort für Sie reserviert und für andere Medien aus Ihrem Verbreitungsgebiet gesperrt. Für Abdrucke zahlen Sie bitte das marktübliche Honorar, das Urheberrecht ist zu wahren. Im Übrigen verweisen wir auf unsere Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) unter www.n-ost.org. Das Honorar überweisen Sie bitte mit Stichwortangabe des Artikelthemas an die individuelle Kontonummer des Autors:Dennis Maschmann


Weitere Artikel