Von Affen und flinken Katzen
Über 100 Filme auf dem osteuropäischen Filmfestival in CottbusCottbus (n-ost). „Es sind die Affen und Kröten“. Regisseurin Milena Andonowa steht im gleißenden Licht der Scheinwerfer und blinzelt unsicher ins Publikum. Ein schwarzes Loch. Die 47-jährige Bulgarin hat eben ihr Spielfilmdebüt „Affen im Winter“ auf dem 16. Festival des osteuropäischen Films in Cottbus präsentiert. Noch bis Sonntag werden mehr als hundert Filme aus 23 Ländern Osteuropas gezeigt.
Stadhalle Cottbus. Foto: Melanie LongerichCottbus ist nicht Cannes oder Monaco. Eher Flaschenbier statt Glamour. Als Freundestreffen war das Filmfestival bei seiner Gründung im Jahr 1991 gedacht. Man kannte sich aus realsozialistischen Tagen, als polnische, tschechische, ungarische und sowjetische Filme wieder Mut machten. Aus dem bescheidenen Anfang ist mittlerweile eine perfekt organisierte Veranstaltung geworden, ohne die familiäre Atmosphäre zu verlieren. 15 000 Zuschauer fanden im vergangenen Jahr den Weg zum Filmfest. Tendenz steigend.„Das nach den Umbrüchen der Wende fast in Agonie versunkene Filmschaffen in beiden Ländern ist wieder präsent“, begründet Festivaldirektor Roland Rust die Entscheidung, den Fokus dieses Jahr auf Rumänien und Bulgarien zu legen. Dank des Beitritts der beiden südosteuropäischen Länder zur Europäischen Union 2007 gewinnt die Filmschau zusätzlich an Bedeutung. Rust spricht in Anspielung auf die asiatischen Tiger-Staaten von „den flinken Katzen Osteuropas“. „Rumänien und Bulgarien wird ein ähnlich staunenswerter Entwicklungssprung zugetraut.“ Zwölf Filmemacher konkurrieren im Wettbewerb „Kurzspielfilm“ und zehn Spielfilme um den Hauptpreis des Festivals: die Lubina. Die achtköpfige internationale Jury muss auch Milena Andonowa bewerten. Die Tochter des bekannten bulgarischen Filmemachers Metodi Andonow erzählt in drei Episoden die Lebensgeschichte dreier Frauen im Bulgarien der letzten 50 Jahre. Alle scheitern an den gesellschaftlichen Normen: Die allein erziehende Roma Dona ebenso wie die ehrgeizige Studentin Lucrecia und Tana, die alles hat außer ein Kind. Auf den ersten Blick verbindet die Geschichten nichts. Wären da nicht die Affen und Frösche, die in kurzen Einstellungen gezeigt werden, im Winter, unter Glas: „Sie führen auch unter widrigen Bedingungen ihr gewohntes Leben weiter“, beantwortet nach der Vorstellung Andonowa die Fragen des Publikums zu den Tier-Sequenzen. „Die Menschen versuchen den Lebensplan abzuarbeiten und scheitern daran, weil das Leben dazwischen kommt.“ Scheitern am Leben und die Suche nach der Identität sind Themen, die viele der gezeigten Filme zu einen scheint. Und immer wieder auch Gewalt und Exzesse und die Spuren, die sie in den Menschen hinterlassen. Auf dem Balkan, ebenso wie in Polen: Frei nach Beethovens „Ode an die Freude“ nennt sich der polnische Film dreier Regisseure, der gegenwärtige Probleme in Polen einfängt. Arbeits- und Perspektivlosigkeit sowie die wachsende Kluft zwischen arm und reich: Gehen oder auswandern? Die Protagonisten entscheiden sich für Letzteres.Dass die Wünsche und Träume im eigenen Land liegen, zeigen die Kassenschlager der einzelnen Länder. Vier von ihnen präsentiert auch das Filmfestival. Etwa die romantische Komödie „Ich zeig’s Euch“ rund um das Liebesleben der allein erziehenden Karrierefrau Edyta, die in Polen mit über 1,2 Millionen Zuschauern als einer der erfolgreichsten Filme in Polen gilt oder „Rafters“, die tschechische Version der amerikanischen Teenie-Komödie „American Pie“, die sich um „das erste Mal“ dreht.Als „kulturellen Vorreiter für eine bessere Verständigung zwischen Ost- und Westeuropa” und als „weltoffenes Filmfest“ hat Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) das Cottbuser Filmfest bei der Eröffnung des Filmfestivals am Dienstag gewürdigt. „Das Medium Film fördert den interkulturellen Dialog”, sagte er. Ein Dialog, der in der Stadt bitter nötig ist: Einen Tag zuvor hatten Unbekannte in Cottbus die Gedenktafel auf einem jüdischen Friedhof beschmiert und Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig, die an die ermordeten jüdischen Bewohner der Stadt erinnern, mit Teer übergossen und herausgerissen.
Melanie Longerich
ENDE