Die Fratze des Bösen
Basajews Tod ist auch in Tschetschenien willkommenMoskau (n-ost) - Lässt man die christliche Ethik außer Acht, gibt es wohl wenige Gründe, den Tod des tschetschenischen Separatistenführers Shamil Basajew zu bedauern. Sein Kopf und die notorische Beinprothese, auf der er seit einer Begegnung mit einer Landmine von Terrorattacke zu Terrorattacke humpelte, sind alles, was von Russlands meistgesuchtem Terroristen blieb, nachdem im nordkaukasischen Inguschetien ein Lastwagen mit Sprengstoff in die Luft flog und die Explosion auch Basajews Privatwagen zerstörte.
Ob ein Unfall oder eine sorgfältig geplante Aktion von Spezialeinheiten des russischen oder inguschischen Sicherheitsdienstes dem Leben Basajews ein Ende setzte, darüber wird noch gestritten. Angeblich habe Russlands Top-Terrorist in Inguschetien einen Überfall auf den in der kommenden Woche in St. Petersburg stattfindenden G8-Gipfel vorbereitet, meldete Nikolai Petruschew, der Direktor des FSB. Welcher Art dieser Anschlag war, und warum die Vorbereitungen ausgerechnet wieder in Inguschetien stattfanden, jener kleinen Republik, deren Boden schon für die Vorbereitung des Anschlags auf die Schule Nummer eins im nordossetischen Belsan herhalten musste, ist bislang ebenso ungeklärt.Gedenken an die ermordeten Kinder von Beslan, Foto: Christian KautzDass die Ausschaltung von Basajew so kurz vor dem Gipfel, Putins Ruf als hartgesottenem Terroristenjäger Glanz verleiht, steht allerdings außer Frage. Eben jenen Glanz hatte Basajew in den vergangen Jahren erheblich angekratzt, er tauchte wie ein Gespenst mal in Kabardino Balkarien, mal mitten in Inguschetiens Hauptstadt Nazran und immer wieder in Vedeno, seinem Heimatdorf, auf, organisierte kleine und große Terrorattentate und war verschwunden, sobald die Häscher auftauchten. Ob Basajew nun eliminiert oder liquidiert wurde- eine Wortwahl, derer sich auch europäische Medien nicht enthalten - oder durch Dusseligkeit und Größenwahn starb, ist letztlich unerheblich. Dass er tot ist, hat auch die Webseite der tschetschenischen Rebellen, kavkaz.org, inzwischen bestätigt und Basajew sofort in den Stand des Schahiden erhoben, ihn zum Märtyrer erklärt und eine bekräftigendes „Insha Allah“ hinzugefügt. Auf kavkaz.org hängt man der Unfallversion an, was damit zu erklären ist, dass bei der Aktion keine russischen Soldaten starben. Wäre das so gewesen, hätte man Basajew als Held im Kampf gegen die Feinde Tschetscheniens sterben lassen.Wann immer es krachte, blutig wurde oder Unschuldige in großen Scharen starben, Basajew war in Russland die Fratze des Bösen und füllt diese Rolle mit großkotzigem Pathos auch gerne aus. In ihrer Einschätzung, dass Basajew die Inkarnation des Bösen sei, waren die russische Regierung und Basajew selber einer Meinung. Er sei ein „schlimmer Typ, ein Bösewicht, ein Terrorist“, sagte Basajew nach dem Attentat in Beslan in einem Interview mit dem US-Sender ABC, und sah dabei aus, als habe er zu viele schlechte Hollywood-Filme gesehen. Für Beslan übernahm Basajew die Verantwortung. Er bekannte sich nicht nur als Drahtzieher, sondern verstieg sich zu verbaler Perfidie und beschimpfte die Nordosseten als treue Vasallen der russischen Regierung. Deshalb verdienten sie seiner Meinung nach den Tod, auch ihre Kinder.Dennoch war es nicht Basajew, der die Geiseln umbrachte - rund 336 starben in der Turnhalle der Schule Nummer eins von Beslan - es waren Inkompetenz und schlechte Koordination, vielleicht auch böswillige, machtpolitsche Indifferenz gegenüber dem Leben der Geiseln, die für das blutige Ende des Schulsturms zeichneten. Und es war auch nicht Basajew, der die Geiseln im Moskauer Dubrowka-Theater tötete, sondern der von Putin abgesegnete Einsatz von Giftgas. Nicht, dass man Basajew verteidigen möchte. Allein dafür, dass er die Geiseln von Moskau und Beslan der Todesangst, schlimmer Qual und schließlich dem Sterben auslieferte, ist ihm ein Schmoren in der Hölle zu wünschen. Sofern er es in Gesellschaft all jener tut, denen Basajews Hass und Gewaltbereitschaft entgegen kamen, die sich den tschetschenischen Unabhängigkeitskampf solange für ihre politischen und kriminellen Ziele zu nutze machten, bis er in einen unübersichtlichen terroristischen Schlamassel umschlug.Ein Aufatmen der Erleichterung wird nun auch durch Tschetschenien gehen: der Wolf ist tot. Längst schon hatte Basajew den Rückhalt der Bevölkerung verloren, nur einige Hardcore-Separatisten verteidigten noch seine Ziele und ihre Methoden. Die Mehrheit der Bevölkerung wünschte sich ein Ende der Kämpfe und Gegenkämpfe, der Angriffe und der daraus folgenden Repressalien. Männer vom Stile Basajews mit ihren Rambomethoden, das hat man in Tschetschenien längst erkannt, schaden dem tschetschenischen Anliegen, in Frieden und Freiheit zu leben, vom Rest der Welt Mitleid zu erfahren und Unterstützung gegen die blutige Gewalt der russischen Soldaten. Musa Sadulajew tschetschenischer Fotograf und zurzeit Gast der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte, äußerte kürzlich in einem Interview die Forderung, Basajew und Seinesgleichen müssten das Feld räumen, bevor Frieden nach Tschetschenien kommen könne. Die tschetschenische Menschenrechtlerin Lipkhan Basajewa, Trägerin des Menschenrechtspreises der Stadt Wismar und Klägerin gegen Russland am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, wünscht sich schon lange ein Ende des bewaffneten Widerstands gegen Russland. Tschetschenien brauche eine andere Art von Führungspersonen, brauche Visionisten mit humanistischen Grundsätzen und einer gewaltfreien Autorität. „Einen wie Nelson Mandela“.So einen aber wird es kaum geben. Tschetscheniens Intellektuelle sind tot oder leben verbittert im Exil. Nachschub gibt es nur für die Basajews des Landes. Doku Umarow, einer von Basajews „Warlord-Kumpels“ ist der Spitzenkandidat für den neuen Top-Terroristen Posten. Sein Fanatismus steht dem von Basajew in nichts nach, allerdings ist er pragmatischer als dieser und hat weniger persönliche Rechnungen mit den Russen offen. Umarow kündigte kürzlich an, die tschetschenischen Rebellen würden ihre künftigen Aktionen mehr auf militärische, weniger auf zivile Ziele richten, was im Bestfall heißt, die Zahl der Toten geht zurück, im schlechten Falle nur: es werden nicht mehr so viele Frauen und Kinder umkommen, dafür aber mehr Soldaten.
Basajews Tod, sagte Präsident Putin, sei die gerechte Rache für die Kinder von Beslan. Ein Ausspruch, den man aufgrund seiner Plattheit schlichtweg unterschlagen sollte. Rache, das zeigt das Dilemma des Kaukasus, in dem absurde Vorstellungen von Männlichkeit, Ehre und Entschlossenheit eine wahnwitzige Rolle spielen, ist nie gerecht. Der Tod Basajews wird den Schmerz der Stadt Beslan um ihre Kinder kaum heilen. Eine solche Philosophie ist nichts weiter als Putins Hang, den Terror im eigenen Lande mit martialischen Militäraktionen und markigen Sprüchen zu bekämpfen, statt die Wurzel des Übels - die Unterdrückung Minderheiten, die Armut, den Bildungsmangel und die Chancenlosigkeit - anzupacken. Tschetschenien, auch wenn Putin anderes behauptet, ist noch immer ein Land im Elend: zerstört, leidend und voller Tod und Folter. Und so dürfte auch die „Eliminierung“ Basajews nur eine weitere verpasste Chance werden, der Gewalt im Kaukasus ein Ende zu bereiten. Ende---------------------------------------------------------------
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