Bulgarien und die USA rücken zusammen
Bei dem NATO-Treffen, das am 27./28 April in Bulgariens Hauptstadt Sofia stattfinden wird, wollen Bulgarien und die USA ein Abkommen besiegeln, das die Stationierung von mehreren Tausend US-Soldaten in dem kleinen Balkanland ermöglicht. Bei der Vorbereitung des Vertrages haben die USA in den vergangenen Wochen so ungewöhnliche Bedingungen und Auflagen hingenommen, dass die bulgarischen Medien über die Motive des Militärabkommens rätseln.
Bulgarien – etwa 110.000 Quadratkilometer groß, knapp acht Millionen Einwohner – ist seit 2004 vollgültiges NATO-Mitglied, braucht also keine Sonderallianz mit der nordatlantischen Führungsmacht USA. Auf der anderen Seite streichen die USA jedem Land die Militärhilfe, das mit ihnen kein Abkommen schließt, kraft dessen US-Soldaten im Ausland von den Zugriffen des Internationalen Strafgerichtshofs ausgenommen sind.
Diese zwei Essentials scheinen beide Staaten vergessen zu haben, als sie Ende März über ein „Abkommen zur gemeinsamen Nutzung von militärischen Einrichtungen auf dem Territorium Bulgariens“ verhandelten. Konkret geht es um den Truppenübungsplatz „Novo Selo“, die Militärflugplätze „Bezmer“ und „Graf Ignatievo“ und das Waffen- und Munitionslager bei Ajtos, alle im Südosten Bulgariens zwischen den Städten Jambol und Burgas gelegen. Hier wollten die USA anfänglich zwischen 3500 und 5000 Soldaten stationieren. Die bulgarische Seite hat ihnen nun 2500 Soldaten zugestanden.
Dies war ein „sporna totschka“ (strittiger Punkt), in welchem die Amerikaner zurücksteckten. Andere kamen hinzu, und die sind aus internationaler Sicht gewichtiger: Wie Verteidigungsminister Veselin Bliznakov und seine Stellvertreterin Sonja Jankulova über den Fortgang der Verhandlungen berichteten, hat die amerikanische Seite ungewöhnliche Konzessionen gemacht. Die Militäranlagen bleiben unter bulgarischem Kommando, müssen freilich von den USA mit stolzen Beträgen bezahlt werden. Die bulgarische Regierung muss über jedes Vorhaben der Amerikaner vorab informiert werden und geradezu sensationell: Bulgarien „behält sich das Recht vor, jeden amerikanischen Soldaten, der auf unserem Territorium kriminelle Straftaten begeht, zur gerichtlichen Verantwortung zu ziehen“.
Das vorgesehene Abkommen ist damit ein großer Erfolg für die Sofioter Regierungskoalition unter Premier Sergej Stanischew, bestehend aus Sozialisten, Royalisten und der türkischen „Bewegung für Freiheiten und Rechte“. Dass die in der Opposition sitzende neue Nationalistenpartei „Ataka“ gegen den Vertrag als „nationalen Verrat“ zu Felde zieht, verwundert niemanden.
Rätselhaft bleibt aber, was die USA mit dem für ihre Verhältnisse ungünstigen Abkommen bezwecken. Zum einen setzt Washington damit die Tendenz fort, die Truppenpräsenz in Westeuropa, vor allem Deutschland, zu verringern und sich stärker in den zum „neuen Europa“ geadelten ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten zu engagieren. Eine weitere Antwort ergibt sich aus einem Blick auf den Atlas: Die USA sind in der Region bereits im kosovarischen Bondsteel und im makedonischen Krivolak präsent und rücken mit dem bulgarischen Abkommen näher an so genannte „Schurkenstaaten“ in der arabischen Welt heran, die sie der Förderung des internationalen Terrorismus verdächtigen. Und sie zeigen Flagge vor den Toren der Türkei, die zuletzt durch amerikafeindliche Stimmungen auffiel und die Washington unter Beobachtung halten möchte, auch weil es deren Chancen für einen EU-Beitritt als minimal ansieht.