Beim Glauben hört der Spaß auf
Warschau/Danzig(n-ost) - Die heftigen Reaktionen in der islamischen Welt auf Mohammed-Karikaturen in Europa haben auch in Polen die Diskussionen über Grenzen von Humor und Pressefreiheit neu entfacht. In dem Land, dessen Bewohner sich zu über 90 Prozent zur katholischen Kirche bekennen, ist für eine lautstarke Minderheit schon seit längerem Schluss mit lustig, wenn es um den Papst, das Kreuz und andere christliche Symbole geht.
Besonders hitzig tobt derzeit der Streit um eine Illustration des neuen polnischen Magazins „Machina“. Das Blatt, das man derzeit nur im Internet bestellen kann, macht auf dem Titelbild seiner ersten Ausgabe mit einer Abbildung der Schwarzen Madonna von Tschenstochau auf, wobei sich das Nationalheiligtum mit dem Antlitz der Popsängerin Madonna („Like a virgin“) präsentierte, im Arm wiegend nicht das Jesuskind, sondern die eigene Tochter.
Chefredakteur Piotr Metz, ein erfahrener Medien-Unternehmer, sagt, er habe mit der Darstellung die Verehrung des Superstars Madonna als Pop-Ikone verdeutlichen wollen. Seine Gegner dagegen identifizieren Blasphemie: Von einer „Entehrung“ sprach am Wochenende die polnische Bischofskonferenz.
Zu diesem Zeitpunkt waren rechts-katholische Aktivisten wie die der Jugendorganisation der Partei „Liga der Polnischen Familien“ (LPR) längst in Aktion getreten. Sie hatten möglichst viele der „Machina“-Ausgaben aufgekauft, um so vielen Lesern wie möglich den Blick auf die Madonnen-Montage zu ersparen. Ein konservatives Netzwerk namens „Koliber“ hatte per E-Mail Werbeagenturen, Werbekunden und Behörden von der anstößigen Illustration unterrichtet. Koliber-Aktivist Filip Stankiewicz nimmt für sich in Anspruch, dazu beigetragen zu haben, dass potente Werbekunden, darunter ein großer Mobilfunkbetreiber, ihre Zusammenarbeit mit dem Popmagazin zunächst auf Eis legten.
Aktivisten vom rechts-katholischen Rand haben inzwischen einige Erfahrung damit, kirchenkritische oder satirische Darstellungen zu verhindern. „Wir versuchen dabei möglichst geschickt, uns auf einzelne Fälle zu beschränken“, sagt Grzegorz Sielacki von der Jugendorganisation der LPR. „Wir wollen ja nicht, dass solche Leute durch uns erst bekannt werden.“
Diese Art von empörter Aufmerksamkeit erfuhr auch die Künstlerin Dorota Nieznalska, deren Installation „Leidenschaft“ in einer Danziger Galerie zunächst auf ein geringes Echo stieß. Dabei hatte sich Nieznalska einer kraftvollen Bildsprache bedient: Ein christliches Kreuz verzierte sie mit der Großaufnahme eines männlichen Geschlechtsteils; dazu stellte sie Filmaufnahmen ächzender Männer auf einer Muskelbank. Von dieser Kritik am Männerkult und maskuliner Dominanz der polnisch-katholischen Gesellschaft erfuhr die Danziger LPR-Jugend erst spät über einen Fernsehbericht; dann aber entschied sie, die „Beweismittel“ zu sichten und Nieznalska anzuzeigen. Die Künstlerin wurde zu sozialen Diensten verurteilt. Nun wird das Verfahren vor einem Berufungsgericht neu verhandelt; Nieznalska weilt derzeit mit Stipendium in Regensburg. Wer in Polen religiöse Gefühle verletzt, dem drohen laut Gesetz bis zu zwei Jahre Haft.
„Die Polen sind ein durchaus humorvolles Volk“, betont Jedrzej Urban, Humorist beim einflussreichen satirischen Wochenblatt „Nie“, und könnten auch über religiöse Themen lachen. Gegner von Papstwitzen und Kirchenkritik seien eine kleine, wenn auch außerordentlich lautstarke Minderheit. Dass Boykottaufrufe gegen Kinofilme und Druckerzeugnisse dennoch Wirkung zeigen, hänge mit der besonderen Rolle der katholischen Kirche im langen Kampf des mehrfach geteilten Landes um die Eigenständigkeit zusammen, sagt Urban. Inzwischen trage die Wahrnehmung dieser Einheit zwischen Land und Religion Züge einer „Legende“. Der Vorwurf, jemand sage etwas gegen die katholische Kirche, erhält dadurch die Wucht eines Totschlagsarguments: Wer die Kirche angreift, richte sein Wort automatisch gegen die gesamte polnische Nation.
Und diese hat sich bei den zurückliegenden Parlamentswahlen für einen Rechtsruck und die Stärkung radikaler Parteien entschieden: Wahlsieger wurde die konservative Partei „Recht und Gerechtigkeit“. Die rechts-katholische Liga der polnischen Familien konnte 8,3 Prozent der Stimmen auf sich vereinen.
Trotzdem will sich Karikaturist Urban nicht einschüchtern lassen. „Nie“ werde auch weiterhin religiöse Themen, ob nun mit islamischem oder christlichem Hintergrund, aufspießen, „wenn es einen Anlass gibt“, hofft Urban. Dabei komme es allein darauf an, „die Grenzen des guten Geschmacks zu beachten“.
Bedenklich findet der Humorist, dass sich die polnische Regierung offiziell entschuldigte, nachdem die Zeitung Rzeczpospolita zwei Mohammed-Karikaturen abgedruckt hatte, weil dies nach den Ausschreitungen in der islamischen Welt geschah. „Damit zeigen wir, dass wir Angst haben.“ Wer Angst habe, könne aber kein Journalist sein, kein Filmemacher oder Schriftsteller. Ärger hatte „Nie“ mit seinem tabulosen Humor bislang allerdings nicht mit Moslems, sondern mit Katholiken: Gegen das Blatt läuft ein Verfahren wegen einer Papst-Karikatur.
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