Junger Rekrut ringt mit dem Tod
Ufa (n-ost) - Ein neuer Folterskandal in der russischen Armee wird aus der Millionenstadt Ufa gemeldet. Der Soldat Nusrulla Davidov wurde so schwer misshandelt, dass er auf der Intensivstation eines Krankenhauses wieder belebt werden muss. Der Wehrpflichtige stammt aus der Republik Dagestan am Rande des Kaukasus und diente in der Militäreinheit Nowo-Aleksandrowka bei Ufa östlich des Ural.
Am 7. Februar hatten Offiziere der Wehreinheit Nowo-Aleksandrowka einen „Nahkampf ohne Regeln“ organisiert. Solche Rituale sind in der russischen Armee nicht selten, berichtet der ehemalige Wehrpflichtige Gaidar. Seinen Familiennamen will er nicht nennen, aus Angst. Oft werden Teilnehmer der Kämpfe schwer verletzt. Bei dem jungen Nusrulla Davidov geht es nun um Leben und Tod. Erst nach 14 Stunden ohne Hilfe von qualifizierten Ärzten wurde er am 8. Februar in ein Krankenhaus eingeliefert. Nach einer Notoperation wird er derzeit reanimiert. Der Chefarzt des Krankenhaus 8 in Ufa, Ramil Magafurow, berichtet: „Der Soldat ist noch bewusstlos. Sein Zustand ist lebensgefährlich.“ Angeblich hat er neben schweren Blutergüssen und einer Gehirnerschütterung auch innere Verletzungen.
Die Presse von Ufa, Hauptstadt der Republik Baschkirien, kann über den Fall derzeit nicht berichten. Es herrscht ein totales Informationsverbot. Die Behörden wollen offensichtlich eine Wiederholung des Armeeskandals vom Januar verhindern. Damals war in Tscheljabinsk, westlich des Urals, ein Rekrut von Vorgesetzten stundenlang gequält worden. In der Folge mussten ihm beide Beine und die Genitalien amputiert werden. Der Fall wurde auch in westlichen Medien publik, was sogar Russlands Präsident Wladimir Putin zu einer Stellungnahme zwang.
Auf solch ein internationales Echo hoffen Baschkiriens Journalisten und Menschenrechtler auch jetzt. Bislang sind sie machtlos, überall bekommen sie dieselbe Antwort: „Kein Kommentar!“. Die Ärzte aus dem Krankenhaus sagen, dass sie nur den Namen des verletzten Soldaten nennen dürfen. Wer der Soldat ist und wer die Täter sind – diese Fragen werden nicht beantwortet. Auch die Militäreinheit weist alle Journalisten ab.
Es wurde nur bekannt, dass bereits Vertreter des russischen Verteidigungsministeriums mit Untersuchungsarbeiten in Ufa begonnen haben. Der Kommandeur der Einheit soll in die Militärverwaltung gerufen worden sein.
Wie brutal das Regiment in der Armee ist, zeigen die Berichte von Deserteuren: Arkadi aus Ufa ist einer von ihnen. Er hatte sich ursprünglich für vier Jahre bei den russischen Truppen verpflichtet. Nach zwei Jahren in einer Einheit bei Uljanowsk an der Wolga ist er zusammen mit vier Kameraden desertiert. Arkadi berichtet: „Die hohen Offiziere halten sich nicht an ihre Dienstvorschriften.“ Er und seine Freunde mussten beispielsweise als Strafe fürs Zuspätkommen auf dem Fußboden der Toilette kriechen und wurden mit Wasser übergossen. Danach wurden sie mit nasser Kleidung bei minus 30 Grad auf den Hof arbeiten geschickt. Eine Rückkehr in seine Kaserne kann er sich nicht vorstellen. Allenfalls den Wechsel in eine andere Einheit. Jährlich sterben in Russland 2.400 Soldaten, die Gefallenen in Tschetschenien nicht mit einberechnet.
ENDE
Norbert Schott