Geburtshaus von Johannes Paul II. soll verkauft werden
Wadowice/Krakau (n-ost) - Die Erinnerung an den vor gut einem halben Jahr verstorbenen Papst Johannes Paul II. ist in Polen ein nationales Grundbedürfnis. Alle Relikte, die vom polnischen Pontifex blieben, sind Kult bei Deutschlands östlichen Nachbarn. Allein 250.000 Menschen pilgerten in diesem Jahr in das südpolnische Wadowice, die Heimatstadt Johannes Pauls II. Für Aufregung und Schlagzeilen sorgt in Polen nun die Ankündigung, dass das Geburtshaus von Karol Wojtyla, in dem ein Museum an den früheren Papst erinnert, verkauft werden soll. Der Grund ist das komplizierte historische Erbe des Hauses.
Als Karol Wojtyla am 18. Mai 1920 geboren wurde, mieteten seine Eltern zwei Zimmer in einem Wohnhaus, das dem jüdischen Wadowicer Yechiel Balamuth gehörte. Wie die meisten Juden der Kleinstadt wurde dieser mit seiner Familie von den Deutschen im Zweiten Weltkrieg in das Todeslager Belzec deportiert und dort ermordet. Nur ein Sohn konnte flüchten und wanderte nach dem Krieg nach Israel aus. Bei einem Besuch in seiner Heimatstadt Wadowice im Jahr 1999 erinnerte Johannes Paul II. öffentlich an dieses Schicksal der Familie Balamuth. Davon erfuhr der in New York lebende Ron Balamuth, Enkel des einstigen Besitzers, aus der Zeitung und bemühte sich erfolgreich um die Rückerstattung des Hauses seiner Vorfahren. Nun hat sich dieser Enkel aber zum Verkauf des Hauses entschlossen.
Der Krakauer Rechtsanwalt Miroslaw Kleber, von Balamuth mit dem Verkauf beauftragt, erklärte gegenüber dieser Zeitung den Grund für diese Entscheidung: „Ron Balamuth lebt in den USA zu weit entfernt von Wadowice. Er möchte, dass diejenigen, denen das Haus mehr am Herzen liegt, sich darum kümmern.“ Zunächst bot der jüdische Besitzer das Objekt daher der Katholischen Kirche an. Die Gespräche mit dem zuständigen Krakauer Erzbischof Stanislaw Dziwisz, bis zu dessen Tod selber engster Mitarbeiter des Papstes in Rom, blieben jedoch erfolglos: Weder ein Verkauf, noch eine langfristige Vermietung wurden vereinbart. Nach unbestätigten Angaben der polnischen Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“ ist die Krakauer Erzdiözese zwar am Kauf interessiert, hält jedoch den angeblichen Kaufpreis von einer Million Dollar (850 000 Euro) für zu hoch. Auf Nachfrage dieser Zeitung lehnte Robert Necek, Sprecher von Erzbischof Dziwisz, eine Stellungnahme der Krakauer Kurie zu den Verhandlungen ab, da die Gespräche noch nicht abgeschlossen seien.
Die Debatte um den Verkauf ist jetzt durch einen Vorschlag der Jüdischen Gemeinde in Krakau neu entflammt. Deren Vorsitzender Tadeusz Jakubowicz forderte jüdische Organisationen in der Welt auf, das Geburtshaus des Papstes zu kaufen und der Erzdiözese Krakau oder der Stadt Wadowice zu schenken. „Mit Johannes Paul II. ist ein Apostel der Versöhnung von Juden und Christen von uns gegangen“, erklärte Jakubowicz. Als Haupt der katholischen Kirche sei er immer wieder öffentlich antijüdischen Mythen entgegengetreten und habe dies durch seine wiederholten Besuche in Synagogen unterstrichen. „Wir Juden sind ihm etwas schuldig und ich hoffe, dass mein Traum von einer Schenkung der jüdischen Gemeinschaft an die Wadowicer bald in Erfüllung geht“, sagte der Vorsitzende der Krakauer Jüdischen Gemeinde.
Jakubowicz, dessen Familie selber aus Wadowice stammt, machte zugleich deutlich, dass er auch eine persönliche Motivation habe: Sein Vater hatte mit Karol Wojtyla die Schulbank des Gymnasiums von Wadowice geteilt. Geplant sind nach Angaben von Jakubowicz Gespräche mit amerikanischen Rabbinern. Die „Gazeta Wyborcza“ berichtet von Sondierungen, die der New Yorker Rabbiner Edgar Gluck durchführt. Auch der in Rom lebende Jerzy Kluger, ebenfalls jüdischer Wadowicer und langjähriger Freund von Karol Wojtyla, ist als Vermittler im Gespräch.
„Die von der Jüdischen Gemeinde vorgeschlagene Übergabe an die Stadt Wadowice wäre eine schöne Geste“, freut sich Stanislaw Kotarba, Sprecher der Stadtverwaltung. Er hofft, dass das Museum im Geburtshaus auch weiterhin geöffnet bleiben kann, das neben der Basilika der Allerheiligsten Jungfrau Maria, Karol Wojtylas Taufkirche, zu den wichtigsten Zielen der Pilger und Touristen in Wadowice gehört. Spekulationen über andere Käufer oder eine kommerzielle Nutzung hält Kotarba für nicht taktvoll.
Trotz gegenteiliger Spekulationen in der polnischen Presse ist das Geburtshaus noch nicht verkauft worden. Der bevollmächtigte Miroslaw Kleber erklärte, dass Ron Balamuth weiterhin auf Angebote warte. Dabei sei der Verkaufspreis eine offene Frage, den Betrag von einer Million Euro konnte Kleber nicht bestätigen. Zwei Bedingungen müsse der Käufer aber erfüllen: Das Museum und der religiöse Charakter des Geburtshauses des Papstes müssen erhalten bleiben. Und der neue Besitzer soll einen Raum für die Erinnerung an die während des Holocaust ermordete Familie Balamuth einrichten. Darin, so Balamuths Wunsch, solle an die friedliche und einträchtige Koexistenz von Juden und Katholiken in Wadowice vor dem Krieg erinnert werden.
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