Erinnerung an die Krakauer Juden
Krakau (n-ost) - Ein Denkmal zur Erinnerung an die Juden des nationalsozialistischen Ghettos wurde jetzt im südpolnischen Krakau fertig gestellt. Es erinnert auf dem so genannten Umschlagplatz im Stadtteil Podgorze an das Schicksal der zehntausenden Juden, die von diesem Platz aus zumeist in die Todeslager in Auschwitz-Birkenau und Belzec gebracht worden waren. Zentrales Element des Denkmals sind 70 Stühle: Bronzeplastiken, die auf dem heutigen „Platz der Ghetto-Helden“ aufgestellt sind. Sie erinnern an die Möbel, die die Juden nach ihrem Transport in die Vernichtungslager im Ghetto zurückließen. Die beleuchteten Stühle beziehen die heute an diesem Platz liegende Straßenbahnhaltestelle mit ein. Passanten können sich auf die Stühle setzen und werden durch kleine Tafeln an die historische Bedeutung des Platzes erinnert. Eine ehemalige Tankstelle, die zur Zeit des Ghettos eine deutsche Polizeistation war, wurde in einen Gedenkraum umgestaltet, in dem die Besucher Kerzen für die ermordeten Juden aufstellen können.
Das Krakauer Ghetto wurde im März 1941 im Stadtviertel Podgorze eingerichtet. Es umfasste 15 Straßen mit 320 Häusern und war umgeben von einer hohen Mauer mit vier Eingangstoren. Durch das Ghettogelände verlief eine Straßenbahnlinie, auf der die Waggons ohne Halt durch das Ghetto fuhren. Bis zu 18.000 Menschen mussten gleichzeitig im Ghetto leben. Zweimal, im Juni und Oktober 1942, wurde das Ghetto verkleinert. Die endgültige Liquidierung fand am 13. und 14. März 1943 statt. Etwa 1000 Menschen erschoss die SS noch auf dem Umschlagplatz. Die verbliebenen Juden wurden in die Todeslager und in das Arbeitslager Plaszow gebracht.
Die grausamen Ereignisse auf dem einstigen Umschlagplatz sind durch den einzigen Nichtjuden im Ghetto, den Augenzeugen Tadeusz Pankiewicz, bekannt, der am Umschlagplatz die einzige Apotheke „Zum Adler“ betrieb. Pankiewicz hatte vielen Juden im Ghetto geholfen und ist dafür von der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem als „Gerechter unter den Völkern“ ausgezeichnet worden. In seiner früheren Apotheke befindet sich heute ein kleines Museum zum Ghetto. In Krakau leben heute nur noch knapp 200 Juden, vor der deutschen Besatzung Polens im September 1939 hatten in Krakau etwa 60.000 Juden gelebt, ein Viertel aller Einwohner.
Weltweit bekannt wurden die Ereignisse im Krakauer Ghetto durch den Film „Schindlers Liste“. Dessen Regisseur Steven Spielberg drehte die Szenen, die die Einrichtung und Liquidierung des Ghettos zeigen, allerdings nicht auf dem originalen Umschlagplatz sondern im einstigen jüdischen Viertel Kazimierz auf der anderen Weichselseite. Berühmtester Augenzeuge des Krakauer Ghettos ist ein anderer Regisseur: Roman Polanski kam als achtjähriger Junge in das Ghetto und konnte wenige Monate später von dort fliehen. Seine eigenen Erinnerungen verwandte er erst vor vier Jahren in seinem Film „Der Pianist“.
In den letzten Jahren befand sich der „Platz der Ghetto-Helden“ in einem eher unrühmlichen Zustand: Ein Busbahnhof und ein Parkplatz dominierten den einstigen Umschlagplatz. Auf Initiative der Krakauer Stadtregierung wurde das Denkmal nach halbjähriger Bauzeit jetzt vom Stadtpräsidenten Jacek Majchrowski, vom israelischen Botschafter in Polen, David Peleg, und vom Vorsitzenden der Krakauer Jüdischen Gemeinde, Tadeusz Jakubowicz, eröffnet. Der Schöpfer des neuen Denkmals ist das Krakauer Projektbüro Lewicki und Latak, das den rund zwölf Millionen Zloty (etwa 3,1 Millionen Euro) teuren Denkmalbereich plante.
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