Erste China-Pipeline geht in Betrieb
Am 15. Dezember treffen der kasachische Präsident, Nursultan Nasarbajew, und der chinesische Präsident Hu Jintao in Kasachstan zusammen, um die erste Öl-Pipeline zwischen den Nachbarländern zu eröffnen. Die 988 Kilometer lange Leitung von Atasu ins chinesische Alashantou soll künftig jährlich 20 Millionen Tonnen Rohöl von Kasachstan in den Nordwesten Chinas transportieren.
Die Pipeline wurde innerhalb eines Jahres gebaut. „Eine ungeheure Leistung“, so Karsten Triemer von der Leipziger Fernleitungs- und Anlagenbau GmbH (FAB). Die deutsche Firma hatte in den letzten Wochen 60 Kilometer der Leitung verlegt, „unter enormem Zeitdruck.“ Pünktlich zum kasachischen Unabhängigkeitstag am 16. Dezember soll die Pipeline in Betrieb gehen.
Das Projekt markiere ein neues Kapitel der Kooperation zwischen den staatlichen Öl-Gesellschaften KazMunaiGaz und China National Petroleum Corporation (CNPC), so Cheng Gen, Präsident von CPNC. Die Chinesen, die erst vor einem Monat für 4,18 Milliarden Dollar das kanadisch-kasachische Unternehmen Petrokazakhstan übernommen hatten, haben auch die 700 Millionen Dollar teure Pipeline finanziert.
Chinas offensive Politik, sich in Kasachstans Ölförderung und -transport einzukaufen, kommt nicht von ungefähr. Das Land hat nach den USA den weltweit größten Verbrauch an Rohöl. Im Jahr 2004 waren es täglich 6,5 Millionen Barrel, rund 900.000 Tonnen. Laut Energy Information Agency wird der Bedarf bis zum Jahr 2025 auf 14,2 Millionen Barrel pro Tag steigen, die Importrate von derzeit 40 auf 60 Prozent. Bisher kaufte China sein Öl meist in Afrika und Südamerika. Der enorme Öldurst des Landes macht es jetzt notwendig, auch die geographisch nahe liegenden, politisch heiklen Ressourcen in Zentralasien anzugehen.
Die Ölreserven Kasachstans sind für Russland und die USA von höchstem politischen Interesse. Für China steht dagegen vorerst – um einseitiger Abhängigkeit zu entgehen – die Diversifizierung seiner Importquellen im Vordergrund, „Der zentralasiatische Markt verlangt von China jedoch einen Balanceakt zwischen der traditionellen russisch-chinesischen Allianz gegen Amerika und dem direkten Wettbewerb mit Russland“, so der Strategieexperte Stephen Blank.
Russland, das sich seinen Zugriff auf das zentralasiatische Öl ungern von China streitig machen lassen will, sieht die neue Pipeline kritisch. Lieber würde es sein eigenes Öl direkt an China verkaufen, oder besser noch, nur Energie. Seitdem die Chinesen auf den globalen Energie- und Technologiemarkt expandieren, hinterfragt Russland seine traditionell durch Rohstoffexporte dominierten Handelsstrukturen mit China. So stellte Sergej Razow, russischer Botschafter in China, im September klar, Russland wolle auf keinen Fall die Rolle des Rohstofflieferanten für die sich dynamisch entwickelnde chinesische Wirtschaft übernehmen.
Kasachstan selbst feiert den Bau der neuen Pipeline offiziell als „Jahrhundertprojekt“. Die Rentabilität für die Kasachen wird jedoch bezweifelt. Zwar bietet die Verbindung zum zahlungsstarken und ölhungrigen Nachbarn einen Weg, das kasachische Öl an Russland vorbei zu vermarkten. Ebenso könnte sich die Pipeline aber als Trojanisches Pferd erweisen, mit dem China seine Kontrolle über Zentralasien ausbaut.
Als leicht zu regulierender Öl-Hahn steht die Pipeline Kasachstan vorerst sowieso nicht zur Verfügung. Rund 4,5 Millionen Tonnen will CNPC selbst aus kasachischen Feldern gen Osten leiten. Doch um die Pipeline auszulasten, braucht China russische Importe aus Sibirien. Russland könnte bis zu acht Millionen Tonnen jährlich durch die chinesisch-kasachische Pipeline pumpen. Der Direktor von KazMunaiGaz, Kajirgeldi Kabildin, gab jedoch gegenüber dem kasachischen Magazin „Panorama“ zu, dass Russland und Kasachstan zusammen 2006 kaum sechs Millionen Tonnen einspeisen könnten.
Erst im nächsten Jahr soll die Pipeline um weitere 700 Kilometer bis nach Aktobe im Westen Kasachstans verlängert und an die kaspischen Ölreserven angebunden werden. Allerdings besitzt CNPC auch dort bereits eine Pipeline und eigene Ölfelder. – Für die Leipziger FAB war der Auftrag ein erfolgreicher Einstieg in den kasachischen Markt. „Wir sehen hier auch unsere weitere Zukunft“, so Triemer. Für Kasachstan jedoch könnte die Pipeline der erste Schritt auf dem Weg zum bloßen Transitland sein.