Deutsche Hausmannskost auf Polenmarkt
Ein türkiser Holzschuppen, davor runde Tische mit bunten Tüchern und Plastikbesteck. Auf den ersten Blick unterscheidet sich der kleine Imbiss von Wilfried Domann am Eingang zum Gubiner Markt nicht von den anderen Ständen. Bis der Blick auf die Teller der Kundschaft fällt. Während die Gäste am benachbarten polnischen Imbiss in Schaschlik oder Krakauer beißen, serviert der Brandenburger aus dem gegenüberliegenden Guben Bockwurst, Zigeunersteak und Plinse. Dazu gibt es zweimal in der Woche ein Extragericht, Gulasch etwa oder Bauernfrühstück. Letzteres gehe "immer bestens", beobachtet Domann.
"Dahin gehen, wo die Kundschaft ist", war die Idee des 54-Jährigen, als er im vergangenen Jahr in Frührente ging und noch nicht daran denken wollte, sich zur Ruhe zu setzen. Die Kunden auf dem Gubiner Markt sind fast alles Deutsche. Warum nicht heimische Speisen für sie anbieten? Der ehemalige schichtleitende Elektriker im nahe gelegenen Tagebau Jänschwalde kaufte sich kurzerhand einen Stand auf dem Gubiner Markt. Warum noch kein Deutscher vor ihm auf die Idee gekommen ist? Domann kann nur vermuten: "Den ganzen Papierkram auf Polnisch zu erledigen, hat viel Zeit gebraucht." Und wer für Polen keine Aufenthaltsgenehmigung habe, für den sei es noch komplizierter.
Doch die hat Winfried Domann schon lange in der Tasche. Nach seiner Scheidung vor neun Jahren startete er einen Neuanfang jenseits der Neiße. "Ohne ein Wort Polnisch zu können, gab ich in Guben alles auf", erinnert er sich. Seitdem lebt er in einer kleinen Eigentumswohnung. Seinen neuen Mercedes aber parkt er weiterhin auf der deutschen Seite. Es sei aber schon besser geworden mit den Vorurteilen, meint er. Anfangs war ihm die Sache gar nicht geheuer mit den fremden Menschen und ihrer seltsamen Sprache. Das Mißtrauen stützten auch seine Bekannten, die seinen Entschluss als lebensmüde bezeichneten. Aber zurück konnte er nicht mehr. Eine eigene Wohnung hätte er sich in Deutschland nie leisten können.
Für die deutsche Hausmannskost sorgt Christa Zmudczynski. Die Gubenerin weiß mit den Kunden umzugehen. Sie selbst hat 37 Jahre in Gubener Gaststätten hinter dem Kochtopf gestanden. Doch die Geschäfte liefen schlecht, die Wirtin ging in die Arbeitslosigkeit. Das war im diesem Frühjahr, und sie griff sofort zu, als sie hörte, dass Wilfried Domann eine Servicekraft suchte.
"Warum gehst Du denn auf dem Polenmarkt kochen?", diese Frage hört sie immer wieder. Die 58-Jährige, die mit einem Polen verheiratet ist und selbst Polnisch spricht, zuckt die Achseln: "Ich mag Menschen, ich mag die Atmosphäre und ich kann kochen." Zuhause sei ihr die Decke auf den Kopf gefallen: "In meinem Alter und bei der hohen Arbeitslosigkeit in Brandenburg hätte ich nie wieder einen Job gefunden." Ihre langjährige Gubener Kundschaft weiß es zu schätzen und lässt sich jetzt auf der anderen Seite der Neiße von ihr bekochen.
Während Christa Zmudczynski in der kleinen Küche das Gulasch im Topf umrührt und dabei ihr Gesicht im Dampf verschwindet, sagt Domann leise, dass ohne die zweisprachige Köchin der Start auf dem Markt nicht so leicht gewesen wäre. Denn skeptisch seien die polnischen Standnachbarn schon gewesen, als er seinen Imbiss eröffnete. Sie fürchteten zusätzliche Konkurrenz, meinten, es gäbe schon genug Leute, die dort ihr Schaschlick anbieten würden.
Wilfried Domann, der kaum Polnisch spricht, konnte sich nicht recht verständlich machen: Hände und Füße reichten nicht, um die Befürchtungen zu glätten. Erst als Christa Zmudczynski ihnen erklärte, dass sie deutsche Hausmannskost servieren, wurden die Nachbarn entspannter.Damit lagen die beiden außer Konkurrenz. "Heute tauschen wir uns aus. Der eine schickt uns die Gäste, die Schnitzel möchten, wir die, die Schaschlick bestellen", sagt sie.
Die Lebensmittel kauft Wilfried Domann in Deutschland, außer das Fleisch. "Die polnischen Pommes Frites werden in der Friteuse hart, die deutschen bleiben saftig", weiß er. Das hat sich auch unter den Händlern des Marktes herumgesprochen, die in der Mittagszeit für eine kleine Mahlzeit vorbeikommen. "In den ersten Wochen wollten alle nur Pommes Frites", sagen die beiden. Wilfried Domann streicht sich zufrieden über den Bauch: "Das soll auch so bleiben."