Russland

Basajew contra russischer Geheimdienst

BESLAN (n-ost)- Shamil Basajew, Russlands meistgesuchter Terrorist, hat eigenen Angaben zufolge vor einem Jahr den russischen Geheimdienst dazu benutzt, seinen Männern den Weg nach Beslan in Nordossetien zu ebnen. Dort besetzte eine Gruppe von Terroristen am 1. September 2004 die Schule Nummer eins und nahm über 1000 Geiseln. Bei einer missglückten Befreiungsaktion zwei Tage später kamen über 330 Geiseln ums Leben.

Auf der Webseite der tschetschenischen Separatisten, „www.kavkazcenter.com“, behauptet Basajew jetzt auf Russisch und Englisch, ein Spezialagent des russischen Geheimdienstes, ein gewisser Wladimir Chodow, sei damals auf ihn angesetzt worden. Jener Chodow habe ihn zu einer Terrorattacke auf das nordossetische Parlament überreden und in eine Falle locken sollen.

Der Agent jedoch habe sich ihm anvertraut, so Basajews Darstellung, die mit Koranversen und Lobhymnen auf Allah gespickt ist. Der „Geist Allahs“, behauptet der Separatistenführer, habe Chodow dazu gebracht, die Pläne des russischen Geheimdienstes zu offenbaren.
Was dann folgte, liest sich wie ein Agentenroman und könnte tatsächlich die Antwort auf die seit dem Geiseldrama viel gestellte Frage sein: wie ist es einer Gruppe von Terroristen gelungen, über die Grenze, an Schlagbäumen, Militärposten und Polizeieinheiten vorbei, quer durch Ossetien zu fahren und die Schule Nummer 1 in Beslan zu besetzen.

Angeblich habe Chodow dem russischen Geheimdienst vom Gelingen seines Auftrags berichtet. Basajew habe angebissen, ein Überfall auf Wladikawkas, die nordossetische Hauptstadt, stehe bevor, gab er an – und die russischen Sicherheitskräfte hätten bereit gestanden, um endlich Russlands meistgesuchten Mann zu fangen.
Basajew und seine Männer aber hatten längst ein anderes Ziel ins Visier genommen: die Schule von Beslan. „Vom 31. August an, war der Weg für uns frei gemacht worden. Wir nahmen diesen Weg, allerdings nach Beslan. Wir tauschten einfach das Datum und das Ziel der Attacke“, so Basajew.

Mit Blick auf die schleppende Arbeit der Untersuchungskommission, die den Ablauf des Terroranschlags klären und die Verantwortlichen für den missglückten Sturm auf die Schule benennen soll, sagte Basajew, seine Männer hätten dazu viel zu erzählen. „Aber wir warten darauf, dass die Russen ihre Untersuchung abschließen. Sie verzögern den Fortschritt, weil es nichts gibt, was sie den Leuten erzählen könnten.“

Basajew sagte weiter, er warte auf eine internationale Untersuchung der Vorkommnisse in Beslan. „Wir haben einen Überlebenden der Aktion, der bereit ist, Zeugnis abzulegen“. Ob er damit den derzeit vor dem Obersten Gericht von Nord-Ossetien angeklagten Nurpashi Kulajew meint, der den Aussagen der russischen Behörden zufolge der einzige überlebende Geiselnehmer ist, oder ob, wie die Zeugen in Beslan behaupten, weitere an der Aktion beteiligte Terroristen entkommen und Basajew Bericht erstatten konnten, geht aus seiner Rede nicht hervor.

Von Seiten der russischen Regierung gibt es bisher keine Reaktion auf die Aussagen Basajews. Allerdings wurden schon in der Vergangenheit mehrfach Kritik am Vorgehen der russischen Sicherheitskräfte laut. Der Vorsitzende der unabhängigen Untersuchungskommission, der nordossetische Parlamentarier und Juraprofessor Stanislaw Kesajew, beklagte vor kurzem in einem Interview mit einer englischen Zeitung, das unkoordinierte Vorgehen. Panzer seien gegen die Schule aufgefahren, als die Geiseln noch in der Schule waren. Auch den Einsatz von Flammenwerfern, der völkerrechtlich verboten ist, hätte die Regierung erst nach Vorlage erdrückender Beweise eingeräumt. Kesajew sagte weiterhin, seiner Einschätzung nach seien Terroristen entkommen. Die Ergebnisse der unabhängigen Untersuchungskommission sollen in wenigen Tagen vorliegen.

Shamil Basajew hat via Internet erneut angekündigt, seinen Kampf mit Mitteln des Terrors weiter führen zu wollen.

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