Milliardenprojekt Ostsee-Pipeline
WARSCHAU (n-ost) - Im Beisein von Bundeskanzler Gerhard Schröder und Russlands Präsident Wladimir Putin wird am 8. September in Berlin der Vertrag über die so genannte Ostsee-Pipeline unterzeichnet. Zuvor hatte der Kreml Berichte bestätigt, wonach Putin zu einem Blitzbesuch nach Deutschland kommen wird.
Die Ostsee-Pipeline, die Erdgas von Russland direkt nach Deutschland leiten soll, ist von großer wirtschaftlicher sowie geopolitischer Bedeutung. Dem Vernehmen nach werden auf deutscher Seite die - ansonsten konkurrierenden - Energieunternehmen E.ON Ruhrgas (Essen) und die BASF-Tochter Wintershall (Kassel) die Vertragspartner sein, auf russischer Seite der weltgrößte Gasmonopolist Gazprom, an dem die Ruhrgas und auch Wintershall ihrerseits beteiligt sind. Die Ostsee-Pipeline ist das bisher größte Pipeline-Projekt von Gazprom, das die Kosten für den Pipelinebau auf 4,6 Milliarden Euro schätzt. Die Hälfte davon werden auf dem Meeresgrund der Ostsee zwischen Wyborg in Russland und Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern verbaut. Die beiden Städte liegen 1189 Kilometer von einander entfernt.
Das Erdgas für die Ostsee-Pipeline stammt aus dem Juschno-Rußkoje-Feld im westsibirischen Tjumener-Gebiet. Später soll noch Erdgas aus anderen Feldern wie dem arktischen Stokman-Feld nach Greifswald transportiert werden.
Von der deutschen Küste soll die Ostsee-Pipeline dann weiter zur Nordsee – bis nach Großbritannien führen und in fünf Jahren zwischen 19 und 30 Milliarden Kubikmeter Erdgas jährlich transportieren. Das wäre rund ein Viertel des jährlichen deutschen Gesamtverbrauchs an Erdgas.
Nach einem Bericht der russischen Nachrichtenagentur Interfax haben die Aushubarbeiten für die Ostsee-Pipeline in der Nähe von St. Petersburg bereits begonnen. Die Gasleitung soll – anders als alle bisherigen Verbindungen - kein anderes Land passieren. Daher hatte das Projekt in Polen und der Ukraine scharfe Kritik ausgelöst, weil die derzeitigen Transitstaaten fürchten, dadurch an Einfluss zu verlieren. In polnischen Medien wurde das Vorhaben bereits in Anlehnung an den unseligen Molotow-Ribbendrop-Pakt spöttisch als „Schröder-Putin-Pakt“ bezeichnet. Alte Einkreisungsängste werden wach, zumal die Beziehungen mit Moskau derzeit in Polen sehr angespannt sind, und die Ressentiments von den Parteien und Kandidaten im Wahlkampf gefördert werden: Ende September wird in Polen ein neues Parlament gewählt – zwei Wochen später ein neuer Präsident.
Alternativvorschläge wie eine Pipeline durchs Baltikum galten jedoch als wenig aussichtsreich, da Russland daran interessiert ist, unabhängiger von bisherigen Durchgangsstaaten zu werden. Bei einem Besuch der Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel Mitte August in Warschau hatten polnische Politiker Stimmung gegen das Projekt gemacht. Offenbar ohne Erfolg: „Ich befürchte, dass sowohl die jetzige Bundesregierung als auch die nächste an der Pipeline festhalten wird“, sagte der in den Umfragen vor der polnischen Präsidentenwahl führende rechtsliberale Oppositionspolitiker Donald Tusk. Bisher hat Polen trotz der Energieabhängigkeit von Russland immer noch eine eigene Pipeline, die versorgt wird. In Zukunft wäre Moskau darauf nicht mehr angewiesen und könnte Polen in Krisensituationen einfach das Gas abdrehen.
Zwar versprach Merkel den Polen eine neue Ostpolitik im Falle ihrer Wahl und eine Abkehr von der Achse Paris-Berlin-Moskau, aber zu wirtschaftspolitischen Fragen – insbesondere zur Ostsee-Pipeline – wollte sie in Warschau keine Gespräche führen. Im Regierungslager um Bundeskanzler Gerhard Schröder wird die energiepolitische Zusammenarbeit mit Russland als großer außen- wie wirtschaftspolitischer Erfolg gewertet, der wohl nicht durch Zufall im Vorfeld der Bundestagswahlen bekannt wird: „Wenn wir keine Verträge mit den Russen schließen, machen das die Amerikaner“, hieß es aus engeren Regierungskreisen.
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Olaf Sundermeyer