Keine Wahl für Auslandsdeutsche
Nowosibirsk (n-ost) - Wenn am 18. September in Deutschland gewählt wird, müssen tausende Auslandsdeutsche tatenlos zuschauen. Grund sind die verkürzten Fristen, die die vorgezogenen Wahlen für den 16. Deutschen Bundestag mit sich bringen. Die erste Hürde, eine rechtzeitige Eintragung in die Wählerverzeichnisse, konnte man relativ leicht meistern. Auf der Internetseite des Bundeswahlleiters war ein entsprechender Antrag bereits seit Wochen abrufbar, lange bevor Bundespräsident Köhler den Bundestag aufgelöst hatte.
Das Problem ist eine andere Frist: Zwar hat der Bundeswahlleiter „die Gemeinden in Deutschland [...] gebeten, die Anträge auf Eintragung in die Wählerverzeichnisse zügig zu bearbeiten und die Wahlunterlagen so schnell wie möglich zu versenden“, erläutert Doreen Namislo, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Büro des Bundeswahlleiters beim Statistischen Bundesamt. Doch versenden viele Städte die Couverts frühestens Anfang September. Aus den Dresdner Wahlbüros heißt es beispielsweise, „dass die Briefwahlunterlagen […] erst ab dem 1. September zur Verfügung stehen” und verschickt werden können.
Doch bereits 16 Tage später müssen die ausgefüllten Wahlzettel wieder am Ursprungsort zurück sein. Für viele Deutsche, die im weiteren Ausland leben, dürfte das schwierig werden. Ein Brief nach Moskau ist zum Beispiel meist drei Wochen unterwegs, hin und zurück vergehen rund 40 Tage.
Das Auswärtige Amt hat deshalb seine Unterstützung zugesagt. „Deutsche Auslandsvertretungen [...] bieten wahlberechtigten Deutschen in ihren Amtsbezirken die Mitbenutzung der amtlichen Kuriere der jeweiligen Auslandsvertretung an“, wenn herkömmliche Post- oder Kurierdienste zu langsam sind, heißt es in einer Pressemitteilung des Bundeswahlleiters. Was viele Betroffenen gar nicht wissen: Man kann sich seine Wahlunterlagen nun direkt ans Auswärtige Amt in Berlin schicken lassen und bekommen sie dann in der nächstgelegenen Botschaft oder in einem Konsulat ausgehändigt. Dieser Regelung folgt zum Beispiel das Generalkonsulat in der russischen Millionenstadt Nowosibirsk. Hier wurde sogar ein Sonderkurier bestellt, da ins abgelegene Sibirien selbst die Behördenpost nicht ausreichend schnell ist.
Aber auch diese Extraregelungen bedeuten noch nicht, dass alle Deutschen wählen können, denn nicht jeder wohnt in der Nähe eines der deutschen Konsulate. Dem statistischen Bundesamt liegen keine exakten Zahlen vor, wie viele wahlberechtigte Deutsche im Ausland betroffen sind. „Für die Bundestagswahl 2002 haben zirka 48.000 Auslandsdeutsche einen Antrag auf Eintragung ins Wählerverzeichnis gestellt. Es wird davon ausgegangen, dass die meisten von Ihnen dann auch tatsächlich wählen“, so Doreen Namislo. Oder es zumindest versuchen.
Das womöglich tausende von Wahlzetteln nicht rechtzeitig ankommen, ist durchaus problematisch: Bei der vergangenen Bundestagswahl hatte die SPD als stärkste Partei beispielsweise am Ende nur 6000 Stimmen Vorsprung vor der CDU/CSU. Und allein die Direktwahl des Kandidaten im Berliner Bezirk Kreuzberg-Friedrichshain, die der Grünen-Kandidaten Christian Ströbele knapp gewann, verhinderte den Einzug der PDS in Fraktionsstärke in den Bundestag, was ganz andere Mehrheitsverhältnisse zur Folge gehabt hätte.
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Norbert Schott