Russland

Eier nur noch hart gekocht


Nowosibirsk (n-ost) - Ende Juli fanden Kinder einige toten Wildenten
am flachen Salzsee Tschany in der Nähe der Sibirischen Millionenstadt
Nowosibirsk. Verendet waren die Enten am Grippevirus H5N1. Kurz darauf
traten die ersten Infektionen von Haustieren auf. Inzwischen hat die
Epidemie neben der Nowosibirsker Region auch den Altai, Kasachstan und die
Bezirke der Großstädte Omsk, Tjumen und Tscheljabinsk ergriffen. Rund
10.000 Hühner, Enten und Gänse sind schon gestorben, 100.000 wurden
vorsorglich getötet. Parallelen zu der Vogelgrippe, die sich 2003 in
Südostasien ausbreitete, werden gezogen. 57 Menschen starben dort an der
Epidemie, 140 Millionen Vögel verendeten oder mussten getötet werden.

Der russische Chefarzt Gennadi Onischenko hält es für möglich, dass die
Vogelgrippe sich über Wildenten und Zugvögel in den Kaukasus, die
Ukraine bis hin nach Europa ausbreitet. Andere russische Experten verbreiten
dagegen Optimismus. Wenn in zwei Wochen die Kälteperiode in Sibirien
beginne, erledige sich das Problem von selbst.

Auch wenn das Thema in den russischen Medien allgegenwärtig ist,
reagiert die Bevölkerung vergleichsweise gelassen. Eine gewisse
Kaufrückhaltung ist in Sibirien zu spüren - die Preise für Hühnerprodukte sinken
dementsprechend. Kosteten zehn Eier bis vor wenigen Wochen in Nowosibirsk
noch umgerechnet 80 Cent, werden sie auf den Märkten nun für 50 Cent
angeboten. Einige Familien verzichten vollständig auf den Konsum von
Geflügel. Natalija Schewtschenko (21) aus Omsk beispielsweise erzählt von
ihrer Großfamilie: "Wir haben sofort keine Hühner mehr gekauft." Dennoch
kann von verwaisten Marktständen keine Rede sein - denn viele Sibirier
sind nicht besonders vorsichtig und kaufen dennoch Eier oder
Hühnchenfleisch. Auf die Frage, warum man trotz Vogelgrippe zu Geflügelprodukten
greift, zucken die meisten Käufer mit den Schultern. "Wir haben einfach
Appetit auf Hühnchen. Wir befürchten keine Krankheiten", sagen Olga
Motilowa und Waleri Tomilow (beide 21) aus Kuibischjew bei Omsk. Bislang
seien in den industriellen Mastbetrieben noch keine Erreger aufgetreten.
Und wenn doch noch, dann könne man ja auf Importhähnchen aus den USA
zurückgreifen.

Das deutsche Generalkonsulat in Nowosibirsk verweist auf Hinweise des
Auswärtigen Amtes, in denen es heißt: "Der Verzehr von Geflügelfleisch
oder Eiern ist nach derzeitigem Wissensstand unbedenklich, wenn diese
gut gekocht sind." Dennoch wird "der Kontakt mit lebendem oder totem
Geflügel" nicht empfohlen. Eine Reisewarnung spricht das Generalkonsulat
bislang nicht aus.

Von staatlicher Seite ist inzwischen die traditionelle Entenjagd im
Herbst verboten worden - aus Angst noch mehr Erreger in die
Haustierbestände einzuschleppen. Schon jetzt ist der Schaden auf den Dörfern immens,
denn sobald irgendwo ein Fall von Hühnergrippe auftritt, ordnen die
staatlichen Veterinäre die Vernichtung aller umliegenden Geflügelbestände
an.

Die Bauern bekommen eine auf den ersten Blick angemessene Entschädigung
- 100 Rubel pro Huhn, 150 Rubel pro Ente und 200 Rubel pro Gans oder
Pute. Für ein mageres Hähnchen ist das in Ordnung, "aber ein fettes Huhn
brächte auf dem Markt mehr Geld", erläutert Waleri Tomilow aus
Kuibischjew die Sorgen vieler Nachbarn. "Und das Ei, welches jedes Huhn täglich
legt, fehlt den Bauern auch."
Die Gebietsverwaltung rechnet mit Kosten von neun Millionen Rubel für
die Entschädigung. Man verweist darauf, dass man alles Mögliche tut, um
eine Ausweitung der Epidemie zu verhindern. Das mutet jedoch zuweilen
auch etwas hilflos an. Der Vizegouverneur für Landwirtschaft im
Nowosibirsker Oblast, Wiktor Gergert, erläuterte zum Beispiel in einem
Interview, dass der Kontakt zwischen Haus- und Wildvögel staatlich verboten
wurde. Wird das kontrolliert? "Ich bin mit dem Hubschrauber zwei Regionen
abgeflogen und habe aufmerksam geschaut - die Anordnung wird befolgt".
Nirgends hätten Hausvögel Kontakt mit Wildvögeln aufgenommen.

***ENDE*** 

Norbert Schott


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