Bulgarien

Ein Strand für alle

Der bulgarische Badeort „Sonnenstrand“ befindet sich in ständiger Metamorphose. Das weiß Familie König aus Chemnitz. Das Ehepaar urlaubt bereits zum achten Mal am Schwarzen Meer in der Nähe der Hafenstadt Burgas. Auch vor der Wende waren die Beiden schon hier. Damals konnte man noch Pferdewagen auf den Straßen sehen. „Es hat sich einiges getan. Früher war es viel bescheidener hier“, erzählt Herr König. Die Verpflegung sei gut und der Stand wunderschön, so das ältere Ehepaar, das zufrieden auf der neu gestalteten Einkaufsmeile im Zentrum der Anlage spazieren geht.

Die bulgarische Schwarzmeerküste hat ihren altmodischen Ruf längst abgestreift. „Sonnenstrand“, „Goldstrand“ oder „Albena“ sind Urlaubsorte aus der Retorte, die das halten, was im Reisekatalog versprochen wird. So wartet etwa der Sonnenstrand mit einem über sechs Kilometer langen feinkörnigen Sandstrand auf. „Es gibt hier über 140 Hotels mit insgesamt 50.000 Betten“, erklärt Malina Bakalova, die Managerin der Betreiberfirma „Slanchev Briag AD“. Die Anlage ähnelt einer Kleinstadt. Auf ihren Straßen kann man heute vor allem Deutsch, Englisch und skandinavische Sprachen hören. Große Reiseveranstalter wie TUI, Neckermann oder LTU haben den Urlaubsort fest in der Hand. Sieben Tage „Sonnenstrand“ im Drei-Sterne-Hotel sind inklusive Flug ab Köln-Bonn derzeit schon für 204 Euro zu haben. Und auf heimatüblichen Komfort wie Mc-Donald-Restaurants und die Bild-Zeitung muss in Bulgarien auch niemand mehr verzichten.

In den letzten Jahren haben auch junge Leute den „Sonnenstrand“ als Urlaubsziel entdeckt. „Das Wasser ist sauber, es gibt einen schönen Strand und man kann viel unternehmen“, sagt ein 23-jähriger Junge aus Krefeld. „Es ist günstig und man kann super Klamotten einkaufen“, fügt seine Freundin an. Damit hat sie wohl recht: Der „Sonnenstrand“ ähnelt einem großen Marktplatz, auf dem in unzähligen Läden günstige Klamotten, Schuhe und Schmuck angeboten werden. Drei finnische Jungs lassen sich an einem Stand Henna-Tattoos malen. Sie sind begeistert von ihrem Badeurlaub. „Der Strand ist toll und das Nachtleben super“, erzählt der 17-jährige Mikki, der ohne seine Eltern hier ist. Nach wenigen Minuten prangt auf seiner Schulter ein Bart-Simpson-Tattoo.

Die bulgarische Tourismuswirtschaft hat in den letzten Jahren gewaltig zugelegt. 2004 besuchten über vier Millionen Touristen das Land. Die Wirtschaft profitiert von den Devisen aus dem Badetourismus, der 80 Prozent des gesamten Tourismusvolumens ausmacht. Doch auch die Schattenwirtschaft boomt im Tourismussektor. „Schätzungen zu Folge arbeiten in der Branche rund 50.000 Menschen ohne einen Arbeitsvertrag. Infolge dessen verliert der Staat rund 120 Millionen Lewa, also rund 60 Millionen Euro jährlich“, so Lalko Dulewski, Vorsitzender des Wirtschafts- und Sozialrates.

Dass mit dem Tourismus ein gutes Geschäft zu machen ist, ist nicht zuletzt an den vielen Baustellen entlang der Schwarzmeerküste zu bemerken. Auch am „Sonnenstrand“ wird gebaut, was das Zeug hält. Lastwägen fahren auf und ab, die Luft ist staubig. Überall entstehen neue Appartementhäuser und Hotels. Neben dem imposanten Fünf-Sterne-Hotel „Victoria Palace“ wird schon die nächste Luxusresidenz gebaut. „Hotel Majestic“ heißt sie – ein zehnstöckiges Traumschloss in Rosa mit Palmenhain, das bald eröffnet werden soll. Ali, der das Gebäude bewacht, erklärt, dass vorerst nur ein Teil des Hotels seinen Betrieb aufnehmen wird. Und die Verordnung, dass während der Hauptsaison nicht gebaut werden dürfe? Ali winkt ab. „Das hat keine Auswirkungen“, sagt er.

„Ein Strand für alle. Sonnenschein für jeden“ – so lautet der Werbespruch des Urlaubsortes. Wenn es nach den Hotelbetreibern geht, soll hier jeder Platz finden. Am „Sonnenstrand“ baut man auf schnellen Gewinn. Doch nicht immer wirkt sich der Bauboom positiv aufs Geschäft aus: So verzeichnet TUI laut Handelsblatt dieses Jahr einen Buchungsrückgang von 13 Prozent in Bulgarien. Besucher fühlten sich vom Lärm gestört. Marina Bakalova kann den Ärger nicht verstehen: „Die ganze Welt baut, warum sollten wir damit aufhören?“ Das Chemnitzer Ehepaar allerdings ist skeptisch: „Irgendwann muss mal Schluss sein“, gibt Frau König zu bedenken, „sonst wird es zu voll hier.“


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