Lea Rosh vergräbt Backenzahn in Belzec
Belzec/Krakau (n-ost) - Mit der Ankündigung, den Backenzahn eines Holocaust-Opfers in das Berliner Mahnmal für die ermordeten Juden Europas einmauern zu lassen, hatte Lea Rosh im Mai 2005 einen Proteststurm ausgelöst. Paul Spiegel, der Präsident des Zentralrats der Juden, hatte den Vorschlag umgehend als "pietätlos" zurückgewiesen, woraufhin Rosh von ihrem Vorhaben Abstand nahm. Nun hat die Berliner Journalistin den Backenzahn, den sie bereits im Jahr 1988 aus dem in Polen gelegenen Konzentrationslager Belzec entwendet hatte, zurückgebracht. Am vergangenen Samstag fand unbemerkt von der Öffentlichkeit das symbolische Begräbnis statt. In einer wenige Minuten dauernden Zeremonie wurde der Zahn in einer kleinen Schachtel auf dem Gelände des einstigen Vernichtungslagers vergraben. Der frühere Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Alexander Brenner, sprach das jüdische Totengebet Kaddish. Lea Rosh wurde außerdem vom Historiker Eberhard Jäckel und ihrem Mann Jakob Schulze-Rohr begleitet, die wie die Journalistin zu den Initiatoren des Berliner Holocaust-Mahnmals gehören.
Die Leitung der polnischen Gedenkstätte hatte für das Begräbnis einen Platz unter einer Eiche bestimmt, die bereits während des Funktionierens des Lagers dort gestanden hatte. Nur an dieser Stelle ist die Erde nicht mit Schlackesteinen bedeckt, die ansonsten das gesamte Gelände des früheren Todeslagers als ein großes Grab verschließen. Erst im letzten Jahr war die Gedenkstätte mit Unterstützung des Washingtoner United States Holocaust Memorial Museums nach einer völligen Neugestaltung wieder eröffnet worden. Den Platz für die Bestattung von menschlichen Überresten der Opfer hat die Gedenkstätte in Absprache mit dem Warschauer Rabbiner Michael Schudrich bestimmt.
"Ich freue mich einerseits, dass die Angelegenheit erledigt ist. Anderseits war die Art und Weise nicht angemessen und beweist fehlende Sensibilität", sagte der Gedänkstättenleiter von Belzec Robert Kuwalek im Gespräch mit dieser Zeitung. Die Tatsache, dass Frau Rosh den Zahn an einem Samstag, dem jüdischen Sabbat, vergraben habe, zeige, dass sie "seit der Angelegenheit in Berlin nichts dazu gelernt hat". Für orthodoxe Juden sind Begräbnisse und sogar das Betreten eines Friedhofs am Sabbat streng verboten. Lea Rosh selbst ist keine gebürtige Jüdin. Sie wurde 1936 in Berlin als Tochter eines Wehrmachtsoldaten geboren, der 1944 im Krieg fiel. Im Alter von 18 Jahren trat sie aus der evangelischen Kirche aus und änderte ihren eigentlichen Vornamen Edith in Lea um. Später machte sie als streitbare Journalistin Karriere, leitete unter anderem als erste Frau das NDR-Landesfunkhaus.
Kuwalek gehört zu den schärfsten Kritikern von Rosh. Die Tatsache, dass Rosh den Backenzahn vor 17 Jahren bei Filmaufnahmen in Belzec mitgenommen hat, kritisierte er als "Verletzung der Totenruhe".
Im Vernichtungslager Belzec waren von März bis Dezember 1942 im Rahmen der sogenannten "Aktion Reinhardt" 500.000 Menschen ermordet worden, fast ausschließlich Juden.
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