Internationaler Waffenhändler und Dahlemer Friedensfreunde
Berlin (n-ost). In den fernen Zeiten der Studentenrevolte war Adalbert Donnemua der SEW beigetreten, einem Ableger der DDR-Staatspartei SED in Westberlin. Aus einem bürgerlichen, wenngleich zerrütteten Elternhaus stammend, sucht Donnemua nach sozialer Geborgenheit und Befriedigung seiner Liebe zum Proletariat. Dann läßt er sich auch als Mitarbeiter der ostdeutschen Staatsicherheit verpflichten und obendrein aus fehlgeleiteter Zuneigung zum palästinensischen Volk in den Waffenhandel für den Nahen Ostens verstricken. Das hindert Donnemua auf der anderen Seite nicht an einer Karriere als Professor an der Berliner Progressiven Freien Universität der Jugend. Fachgebiet: Friedensforschung.
Irgendwann sind es für Donnemua allerdings der Widersprüche zuviel. Er scheidet freiwillig aus dem Leben. Weder kann sich der Gelehrte, längst verwurzelt in der so genannten feinen Gesellschaft des Villenvororts Berlin-Dahlem, seine Eskapaden mit immer neuen Strichjungen verzeihen. Noch hat es der Altidealist und Berufspazifist verkraftet, die Schlüsselrolle in einer internationalen Waffen- und Geheimdienstaffäre zu spielen. Schließlich wird er auch noch von einem Kollegen und Freund erpresst, der Wind von seinem Doppelleben als Friedensmann und Freund der Waffenindustrie bekommen hat. Udo Knarsch, ein Osteuropaforscher ohne Leidenschaft und SPD-Mitglied aus beruflichem Kalkül, kann seine Affäre mit einer bosnischen Studentin nur noch durch immer höhere Geldzuwendungen aufrechterhalten.
Viktoria Korb hat einen satirischen Kriminalroman geschrieben. Die polnisch-jüdische Autorin wurde in Kasachstan geboren und wuchs in Polen auf. Bedroht durch eine antisemitische Kampagne der damaligen kommunistischen Führung unter Władysław Gomułka verließ sie Ende der sechziger Jahre Polen und ließ sich in Deutschland nieder. Seither lebt sie - abgesehen von zahlreichen Auflandsaufenthalten für die UNO - hauptsächlich in Berlin. Die Wissenschaftlerin und Journalistin trat erst vor kurzem auch als Erzählerin hervor. "Tod eines Friedensforschers" ist eine Kriminalsatire und zugleich ein Schlüsselroman. Den Hintergrund bildet eine, wie die Autorin betont, authentische Affäre aus den frühen neunziger Jahren, in deren Verlauf der Leiter eines polnischen Industrieunternehmens in Deutschland verhaftet wird. Der polnische Industrielle Szwonder soll gegen das Embargo der USA verstoßen und Kampfhubschrauber an den Irak geliefert haben. Im Roman wird Szwonder - der hier Spanner heißt - bei einem Zwischenaufenthalt in Frankfurt am Main in eine Falle gelockt und im Hotel Frankfurter Hof festgenommen. Mit ihm soll die neue polnische Konkurrenz auf dem internationalen Waffenmarkt ausgeschaltet werden - mit tatkräftiger Hilfe des am Ende reuigen Berliner Friedensforschers Donnemua. Die "Szwonder"-Affäre, in Deutschland weitgehend unbekannt, war in Polen seinerzeit ein Medienereignis. Sie rückt - wenigstens dem Roman zufolge - nicht nur einen linken Berliner Wissenschafter ins Zwielicht, sondern auch höhere deutsche Regierungspolitiker.
Ihren politischen Kriminalfall entwickelt Viktoria Korb zu einem ebenso kritischen wie amüsanten Sittenbild aus den zeitgenössischen linken und liberalen Eliten unseres Landes. Verlogenheit, mal harmloser, mal bösartiger Natur, dominiert. Es geht um Ehefrust und Ehebruch, um die zweifelhafte Solidarität der guten Menschen und Besserverdienenden, um die Zwänge selbst verordneter Vegetarierdiät nebst politischer Progressivität. Viktoria Korb erzählt uns süffisant von den Schildbürgerstreichen einer ziemlich ermüdeten und allemal unglaubwürdigen Gesellschaftsschicht, die einst als 68er eine neue gesellschaftliche Moral forderte. Licht ins Dunkel des politischen Kriminalfalls bringt die Amateurdetektivin Gloria Kosz. Diese Protagonistin ist - wie ihre "Erfinderin" - eine seit Jahrzehnten hauptsächlich in Berlin lebende polnische Jüdin, die den ehemaligen sozialdemokratischen Wirtschaftsenator zu ihren Duzfreunden zählt und einst vom Nestor der Berliner Politikwissenschaft, Richard Löwenthal, promoviert wurde. Wie eine Jeanne d'Arc schwebt sie über der Gesellschaft, die sie porträtiert, um dann doch von Zeit zu Zeit in ihr zu versinken. Der enge autobiographische Bezug von Gloria Kosz zur Autorin ist unverkennbar. "Kosz" heißt auf deutsch übrigens "Korb".
Vikoria Korb: Tod eines Friedensforschers. Kriminalroman, Tenea Verlag, 205 S., 12,80 Euro
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