Russland

Präsident von Nordossetien tritt zurück

Wladikawkas (n-ost) - Der Präsident von Nordossetien, Alexander Dsasochow, hat seinen baldigen Rücktritt angekündigt. Neun Monate nach der Geiselnahme in der Schule Nr. 1 in Beslan beugt sich Dsasochow damit den Forderungen der Hinterbliebenen, die dem nordossetischen Präsidenten eine Mitverantwortung an der Geiselnahme und ihrem blutigen Ausgang unterstellten.

Das dreitägige Geiseldrama in Beslan endete am 3. September mit einem Sturm auf die Schule, bei dem 330 Menschen, darunter 176 Kinder starben.
Mit öffentlichen Protestmärschen und Straßenblockaden haben seitdem vor allem die Eltern der getöteten Schulkinder, die sich im Komitee der Mütter zusammenschlossen, Dsasochow und anderen Offiziellen politisches Versagen vorgeworfen. Wie konnte es sein, dass 33 schwerbewaffnete Männer ungehindert bis zur Schule in Beslan vordrangen und warum hat der Krisenstab nicht die Befreiung der Geiseln erwirken können? Diese Fragen stellten Eltern und andere Hinterbliebene immer wieder. Sie beschuldigten zudem sowohl die Moskauer als auch die nordossetische Regierung, die Hintergründe des Dramas nicht genau zu untersuchen, Spuren zu verwischen und die Wahrheit über die Drahtzieher des Attentats zu verschweigen. Erst nach wütenden Anschuldigungen hatte die Untersuchungkommission eingeräumt, dass die Spezialkräfte während des Sturms schwere Waffen einsetzten und Terroristen womöglich entkommen konnten.

Neue Erkenntnisse über den Hergang des Geiseldramas brachte die Vernehmung des einzigen überlebenden Terroristen des Geiseldramas, Nurpashi Kulajew, der am Dienstag dieser Woche erneut vor dem Gericht in der nordossetischen Hauptstadt Wladikawkas aussagte. Er behauptet, die Geiselnehmer wären bereit gewesen, Kinder freizulassen, wenn Dsasochow und der inguschische Präsident Murat Sjasikow zu Gesprächen in der Schule erschienen wären. „Für jeden dieser Verhandlungspartner wollte unser Anführer 150 Kinder freilassen.“
Neben einem Abzug der russischen Truppen aus Tschetschenien hatten die Geiselnehmer ein Treffen mit den beiden Präsidenten gefordert. Weder Sjasikow noch Dsasochow wollten sich auf diese Forderung einlassen. Beide Männer fürchteten, in eine Falle gelockt und von den Terroristen erschossen zu werden. Sjasikow behauptete später, er habe von der Geiselnahme erst aus den Medien erfahren.
Kulajew sagte außerdem aus, der Sturm auf die Schule sei ohne eine „Provokation von innen“ erfolgt. Scharfschützen hätten zwei Terroristen erschossen, die mit dem Fuß auf dem Auslöser für die Bomben standen. Damit bestätigt Kulajew ähnliche Behauptungen von Augenzeugen. Außer sich vor Schmerz hatten die Bewohner von Beslan immer wieder unterstellt, das Hauptinteresse der Verantwortlichen sei die Eliminierung der Terroristen, nicht die Rettung der Geiseln gewesen. Eine Behauptung, die Nahrung erhielt, als Hinterbliebene die Hüllen von Flammenwerfern auf dem Dach eines Hauses hinter der Schule fanden. Der Einsatz dieser Waffen ist nach der Genfer Konvention in Gebieten mit ziviler Bevölkerung verboten.

Bereits kurz nach dem Massaker schien es, als würde sich der nordossetische Präsident dem öffentlichen Zorn beugen und zurücktreten, dann aber entließ er lediglich zwei Minister. Erst als das nordossetische Parlament in der vergangenen Woche beschloss, dass der Präsident künftig diesen Titel nicht mehr tragen, sondern sich mit einer Art Ministerpräsidentenstatus zufrieden geben muss, geriet die Lust des 71jährigen Dsasochow am Regieren ins Wanken. Das Parlament Nordossetiens war damit einer Vorgabe der Moskauer Regierung gefolgt, die eine Zentralisierung der Herrschaft anstrebt und die Macht der Republikführer einschränken möchte. Er wolle den Weg für Jüngere räumen, begründete Dsasochow nun seinen angekündigten Rücktritt.

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