Russland

Russisches Eigentor

Berlin (n-ost) - Der zufriedene Spott, mit dem die russische Regierung den Tod des tschetschenischen Rebellenführers Aslan Maschadow international bekannt gab, dürfte der Moskauer Führung nach Einschätzung der meisten Kaukasusexperten bald vergehen. Maschadows Erschießung, über deren Umstände es nach wie vor nur Spekulationen gibt, sei im Konflikt zwischen Russland und Tschetschenien alles andere als Fortschritt, schon gar nicht der von Russland propagierte Erfolg im Kampf gegen den Terrorismus.

Für Ekkhardt Maas, den Vorsitzenden der Deutsch-Kaukasischen Gesellschaft, wird es im tschetschenischen Konflikt nach dem Tod von Maschadow „eine härtere Gangart“ geben. „Die Lage wird sich zuspitzen, die terroristischen Aktivitäten zunehmen. Die Russen haben ein Eigentor geschossen.“

Auch Sarah Reinke, Tschetschenien-Expertin bei der Gesellschaft für Bedrohte Völker (GfbV) sieht nun den letzten Weg zum Frieden versperrt. „Maschadow war der einzige, mit dem man hätte verhandeln können. Die Tschetschenen haben auf ihn gehofft, sein Tod ist für das Volk ein Schlag ins Gesicht. Er hat die Terroristen in Schach gehalten. Seine Liquidierung gibt den terroristischen Kräften in Tschetschenien mehr Macht.“ Verantwortung für Maschadows Tod sieht Reinke auch beim Westen. „Wenn man ihn als Gesprächspartner ernst genommen hätte, wäre es nicht so einfach gewesen, ihn zu töten. Die Haltung des Westens leistet der russischen Skrupellosigkeit Vorschub.“

Maschadow, eine ehemaliger Oberst der Sowjetarmee, war nach dem ersten Tschetschenienkrieg 1997 zum Präsidenten der Republik gewählt worden und zu Beginn des 2. Tschetschenienkrieges als Führer der Rebellenkräfte in den Untergrund gegangen. Nun wurde er entweder gezielt durch den russischen Geheimdienst FSB liquidiert, oder tatsächlich - wie es in einer offiziellen Stellungnahme heißt - durch eine irrlaufende Kugel getroffen.

Experten befürchten, dass radikale Kräfte um den tschetschenischen Top-Terroristen Shamil Basajew das Machtvakuum ausnutzen, das Maschadow hinterlässt. Während Maschadow einen Stufenplan entwarf, um seinem Land Frieden zu bringen, stets auf einen Dialog mit Russland setzte und dem russischen Präsidenten bei verschiedenen Gelegenheiten Gespräche anbot, hat Basajew kein Interesse an einem Konsens. Dieser setzt zur Errichtung einer kaukasusweiten islamischen Macht auf Gewalt.

Mit welcher Kaltblütigkeit Basajew vorzugehen bereit ist, hat er zuletzt als Drahtzieher der Geiselnahme in einer Schule im ossetischen Beslan bewiesen, wo mehr als 350 Menschen, die Hälfte davon Kinder, starben. Erst vor einigen Wochen drohte Basajew in einem Interview mit weiteren Aktionen im Stile Beslans und verteidigte Gewalt gegen Zivilisten als angemessene Verteidigung tschetschenischer Interessen.

Russischen Beschuldigungen zum Trotz, Maschadow stecke mit Basajew unter einer Decke und sei wie dieser nur ein Terrorist, war Maschadow der einzige Ansprechpartner für mögliche Friedensverhandlungen und in den Augen seines Volkes noch immer der legitime Vertreter der Tschetschenen. Anders als Basajew und Rebellenführer der jüngeren Generation, hatte Maschadow stets verlangt, dass der bewaffnete Kampf der Tschetschenen gegen die russische Okkupation den Genfer Konventionen zum Schutz von Zivilisten folgen müsse und sich gegen ein Verbreitung des Konflikts auf andere kaukasische Länder ausgesprochen. Obwohl die Russen Maschadows Einfluss zugunsten radikaler Kräfte schwinden sahen, war es diesem zuletzt gelungen, für den Februar einen Waffenstillstand seiner Rebellen durchzusetzen, der auch eingehalten wurde.

In seinem letzten Interview vom 4. März hatte Maschadow sich noch einmal an Präsident Putin mit der Bitte um Verhandlungen gewandt und gesagt: „Ich bin zutiefst überzeugt, dass der Präsident der russischen Föderation in eine tiefe Verwirrung geführt wurde ... und von den wirklichen Geschehnissen in Tschetschenien weit entfernt ist. Wir glauben, dass ein halbstündiges ehrliches Gespräch unter vier Augen genügen würde, diesen Krieg zu beenden.

Der Experte Ekkhardt Maaß ist überzeugt, Maschadows Erschießung habe der militärischen Struktur des bewaffneten Widerstands nicht geschadet, auch wenn die Russen dies behaupteten. „Die formieren sich sofort neu. Die Frage ist doch jetzt, unter wessen Kommando? Maschkadow war vermittelnd und moderat.“


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