Terrorist Shamil Basajew bricht sein Schweigen
Andrea Strunk (E-Mail: travelchronic@gmx.net, Tel.: 0049-4544-891364)
Beslan (n-ost). Mangel an Geld war angeblich der Grund, warum die nordossetische Stadt Beslan Ziel eines schockierend brutalen Terrorangriffs wurde. Das jedenfalls behauptet der von Russland als Terrorist gesuchte Tschetschene Shamil Basajew, und das berichtet die englische Times. Basajew gilt als Drahtzieher des blutigen Anschlags auf die Schule Nummer 1, bei dem mindestens 170 Kinder und noch mal so viele Erwachsene ihr Leben verloren. In seinem ersten Interview seit dem Anschlag liefert Basajew dem englischen Sender Channel 4 eine zutiefst zynische und verachtende Erklärung dafür, soviel Leid über die Stadt Beslan gebracht zu haben.
Er habe ursprünglich geplant, sagte Basajew, eine, vielleicht sogar zwei Schulen in Moskau und St. Petersburg besetzen zu lassen. Finanzknappheit habe ihn und seine Männer auf eine Schule in Nordossetien ausweichen lassen, jener „russischen Garnison im Kaukasus“.
Basajew macht Russland für das Elend des Nordkaukasus, vor allem in Tschetschenien verantwortlich, und sagte, dies alles geschähe mit der stillen Zustimmung des nordossetischen Volkes. Den Terroranschlag auf Zivilisten, auf Kinder rechtfertigte er mit der Feststellung, man befände sich im Krieg, da sei es egal, ob jemand bewaffnet oder unbewaffnet sei. „Menschen, die Putins Politik unterstützen, die ihre Steuern für diesen Krieg zahlen, ihre Soldaten dort hinein schicken und von ihren Priester weihen lassen, können diese Menschen unschuldig sein, nur weil sie unbewaffnet sind?“
Basajew bestätigt damit, was vermutet wurde: Die Nordosseten, die als einzige der nordkaukasischen Republiken stets loyal zu Russland standen, sollten für diese Loyalität bestraft werden. Nordossetiens Hauptstadt Wladikavkaz ist das Kind einer zweijährigen Leidenschaft zwischen dem Fürsten Grigorji Alexandrowitsch Potomkjin und der Zarin Katharina der Großen. Potomkjin baute seiner Zarin die heutige Stadt 1748 als Festung, als ein Bollwerk gegen die kriegerischen Bergstämme. Die „Herrscherin des Kaukasus“ sollte Russlands Expansion nach Süden sichern. Anders als ihre aufständischen Nachbarn haben die Osseten sich seither stets nach Russland gerichtet- und damit Missgunst erweckt. Seit einem kurzen, blutigen Krieg in den 90er Jahren um Land, den die Osseten gegen das Nachbarland Inguschetien führten, sind die Beziehungen zu Tschetschenien und Inguschetien feindlich.
Mitarbeiter des englischen Senders hatten laut Times lange verhandelt, bevor Basajew zu dem Interview bereit war. Seine eigenen Männer filmten ihn an seinem unbekannten Aufenthaltsort und übergaben das Video einem Reporter von Channel 4 im Nahen Osten. Am Donnerstagabend wurde das Interview auf dem Sender ausgestrahlt.
Das Drama von Beslan, so Basajew, habe ihn zutiefst schockiert. Seine Intention sei es gewesen, die Russen zu einem Ende des tschetschenischen Völkermordes zu zwingen, dazu habe es eines Anschlags bedurft, aus dem es keinen anderen unblutigen Ausweg geben konnte, als den Forderungen nachzugeben. Er habe sich jedoch grausam getäuscht. Er habe nicht geglaubt, dass die Russen den Tod so vieler Kinder in Kauf nehmen würden, schob Basajew die Verantwortung für den schrecklichen Ausgang auf Moskau. „Ich war über das Geschehen nicht erfreut.“
Laut Basajew waren es russische Flammenwerfer, nicht die Bomben der Terroristen, die das Dach der Schule zum Einsturz brachte. In Folge dieses Einsturzes war der ohnehin chaotische Schulsturm völlig eskaliert.
Der 40jährige Shamil Basajew ist Russlands meistgesuchter Terrorist, auf seinen Kopf ist eine Prämie von 10 Millionen Dollar ausgesetzt. Er wird auch für die Ermordung des tschetschenischen, von Russland eingesetzten Präsidenten Kadyrow verantwortlich gemacht. Vermutlich versteckt er sich in den Bergen von Tschetschenien und organisiert von dort den Partisanenkampf seiner Männer und zunehmend Frauen, der sogenannten Schwarzen Witwen, die fast ausschließlich als Selbstmordattentäterinnen missbraucht werden.
Wie die Times berichtet, gibt Basajew das Interview vor einer Fahne mit dem islamischen Glaubensbekenntnis sitzend. Er trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift „Anti-Terror“, die Fragen liest er von einem Laptop ab. Russland, nicht er, sei terroristisch, verkündet er, und beklagt das blutige Gemetzel in Tschetschenien. Und er kündigt an, seinen „Krieg“ gegen den Kreml nicht beenden zu wollen. Es werde weitere Angriffe auf Zivilisten geben. Wörtlich soll Basajew gesagt haben. „Wir planen weitere Operationen von der Art, wie sie in Beslan stattfand, weil man uns dazu zwingt“. Der Terrorist behauptet außerdem, im vergangenen Jahr hätten 200 bis 300 seiner Männer 15 Großattacken auf militärische Ziele verübt.
Im Verlauf des Interviews gibt Basajew an, den früheren tschetschenischen Präsidenten Aslan Mashkadow getroffen zu haben, der ihm vorwarf, in Beslan „zu weit“ gegangen zu sein, und verlangte, er solle sich für diese Tat einem Gericht stellen. Mashkadow gilt offiziell als Führer der tschetschenischen Rebellenbewegung, die sich aus mehreren Gruppen zusammensetzt, und bisher hat Basajew stets behauptet, er sei an der Planung des Beslan-Anschlags, in den auch nordossetische und russische Beamte verwickelt sind, beteiligt gewesen.
Gestern berichtete die offizielle Webseite der tschetschenischen Rebellen, kavkazcenter, Basajew und andere Rebellenführer hätten einer von Mashkadow verlangten Waffenruhe in Tschetschenien bis zum 22. Februar zugestimmt. Eine offizielle Bestätigung aus Moskau gab es dazu bisher nicht.
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