Ukraine

Die Krim rückt näher an Russland

Auf der Krim wurde es vor einem Jahr plötzlich dunkel: Aktivisten der „Zivilen Blockade der Krim“ hatten vier Strommasten gekappt und die Stromversorgung zum ukrainischen Festland unterbrochen. Auf einmal ging nichts mehr: Keine Straßenbeleuchtung, kein Mobilfunk, kein Internet. Es dauerte Stunden, bis die Regierung in Simferopol provisorische Lösungen fand. Trotzdem mussten viele Bürger wochenlang mit sechs bis acht Stunden Strom pro Tag auskommen.

„Das war eine romantische Zeit, wie in den wilden Neunzigern“, erinnert sich Natalja Alexejewa aus Simferopol. „Nach Jahren wieder für Kerzen Schlange zu stehen, war schon etwas Besonderes.“ Die 34-Jährige betreibt eine kleine Lebensmittelkette in der Krim-Hauptstadt. Außer der Kerzenromantik schadete die Krise aber ihrem Geschäft: „Besonders in den ersten Tagen haben wir viel Geld verloren, weil die Kühlschränke nicht funktionierten. Die Krise hat uns ein gutes Jahr gekostet“, sagt sie. Auch bei anderen Unternehmern hat der Jahresumsatz gelitten.


Der Ausnahmezustand ist vorbei

Ein Jahr später ist von Stromausfällen auf der seit 2014 russisch annektierten Halbinsel nichts zu spüren. Denn inzwischen versorgt eine so genannte „Energiebrücke“, ein gigantisches Kabel unter der Straße von Kertsch, die Krim mit Elektrizität aus Südrussland. Keine optimale Lösung, denn die südrussischen Regionen Krasnodar und Kuban haben selbst nicht das beste Stromnetz. Trotzdem war der Kreml gezwungen, dieses Projekt im Eiltempo durchzusetzen. Bereits Ende Mai eröffnete der russische Präsident Wladimir Putin die „Energiebrücke“, der Ausnahmezustand auf der Krim war vorbei.

Das Ziel der ukrainischen Aktivisten vor einem Jahr war die Verbesserung der Menschenrechtslage auf der Krim. Mit der Sprengung der Strommasten erreichten sie allerdings, dass die annektierte Halbinsel sich nun immer schneller an Russland annähert.

Zwar ist das neue Kabel nur eine Zwischenlösung: Im Winter braucht die Krim durchschnittlich zwischen 1.200 und 1.300 Megawatt Strom. Durch die „Energiebrücke“ werden auf die Halbinsel rund 800 Megawatt aus Südrussland übertragen, den Rest produziert die Krim selbst. Wenn etwas schiefgeht, stehen Zehntausende der 2,2 Millionen der Bewohner wieder ohne Strom da.


Ein Putin-Vertrauter baut die Kertsch-Brücke

Derweil stellen sich die Halbinsel und die gesamte Region auf den härtesten Winter seit Jahren ein. Die Krim-Regierung hat bereits einen Notfallplan erarbeitet. „Wir bereiten uns auf neue Stromausfälle vor“, kündigte Ministerpräsident Sergej Aksjonow an.

Dennoch gibt es berechtigte Hoffnungen, dass das Stromproblem bald gelöst ist. In Sewastopol und Simferopol werden zurzeit zwei Kraftwerke gebaut, die bis 2019 fertig sein sollen.

In einigen Jahren kann die Krim zudem wohl ein weiteres Problem loswerden: Lange wurde mit dem Bau der sogenannten „Kertsch-Brücke“ gezögert, doch seit Februar wird sie vom Bauunternehmen Strojgasmontasch des Putin-Vertrauten Arkadij Rotenberg gebaut. Die drei Behelfsbrücken, die für den Bau notwendig waren, wurden bereits errichtet, seit August wird an dem Hauptabschnitt gearbeitet.

Die 19 Kilometer lange Kertsch-Brücke ist für Russland jedoch ein teures Vergnügen: Statt der ursprünglichen 24 Milliarden Rubel werden die Kosten heute auf 228 Milliarden (umgerechnet 3,2 Milliarden Euro) geschätzt. Immer wieder wird über finanzielle Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Projekt berichtet.

„Uns geht es nicht um die Kosten, sondern um ein strategisches Projekt“, sagt Wladimir Konstantinow, Vorsitzender des Krim-Parlaments. Die Brücke wäre für Russland der letzte Schritt, um die annektierte Halbinsel vollständig zu integrieren. Wenn sie fertig ist, wird sich der Einfluss der Ukraine auf die Halbinsel aufs Geringste reduzieren.


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