Vorerst letzter deutscher Lesesaal in Russland
Omsk (n-ost) Was haben Pjönjang in Nordkorea, Simferopol in der Ukraine,
Maputo in Mosambik und Omsk in der Russischen Föderation in diesem Jahr
gemeinsam? Sie bekommen vom Goethe-Institut in München einen deutschen
Lesesaal geschenkt. So wurde jetzt in der Omsker Gebietsbibliothek der
sechzehnte und vorerst wohl letzte mit deutschsprachiger Literatur
ausgestattete Lesesaal in Russland eröffnet. Die Gesamtkosten betragen
30.000 Euro. Zumindest für die Russische Föderation gehen dem größten
deutschen Kulturmittler im Ausland langsam die finanziellen Mittel aus. „Wir sind dabei, unsere Prioritäten zu verändern“, beschreibt Andrea Bach, Leiterin für Informations- und Bibliotheksarbeit im Moskauer
Goethe-Institut, die neue Situation. Das Programm, in dem örtliche
Bibliotheken in ihren Räumen deutsche Lesesäle einrichten, würde jetzt mehr
und mehr nach Afrika und in die islamischen Länder verlagert.
Elf Jahre nach der Gründung des ersten Lesesaals in der ehemaligen
Sowjetunion zieht die Bibliothekarin eine positive Bilanz des Projekts. „In
ganz Russland nutzen etwa 90.000 Leser unsere Lesesäle“, sagt die 37-
Jährige. Das sei eine gute Reichweite. Etwa eine Million Menschen würden
russlandweit Deutsch studieren und vier Millionen Schüler bekommen in den
Schulen die deutsche Sprache vermittelt. Man habe sich als zweite
Fremdsprache nach Englisch in der Region fest etabliert. Omsk sei der vierte sibirische Lesesaal nach Nowosibirsk, Tomsk und Tjumen. „Aber auch Künstler, Architekten, Designer oder Journalisten, die keine deutschen
Sprachkenntnisse haben, lassen sich durch die zahlreichen Bildbände in
unseren Lesesälen anregen“, weiß die Leiterin zu berichten.
„Ich bin gespannt, wie sich die Zusammenarbeit mit den anderen
Repräsentanten des Goethe-Instituts vor Ort entwickeln wird“, sagt Claudia
Hüppmeier vom Generalkonsulat in Nowosibirsk während der Eröffnung. Damit
deutet sie an, dass nicht an allen sechzehn Standorten die Kooperation
zwischen Lesesaal und den Sprachlernzentren einwandfrei funktioniere. Nicht
selten führen die Betreiber des Lesesaals ein geheimbündlerisches
Eigenleben. Es gehe aber letztlich darum, den neuen Lesesaal in der
Öffentlichkeit bekannt zu machen. Dies gelinge auch in den meisten Fällen.
Denn zu bieten hat der Lesesaal etwas, was für Russland längst nicht
selbstverständlich ist. „Die Freihandpräsentation und die Ausleihbarkeit der Medien sowie die Fortbildung des Personals sind die Grundsätze unserer
Arbeit“ unterstreicht Andrea Bach die neue Qualität ihrer Einrichtung. Auch
sie hoffe, dass das Projekt der deutschen Lesesäle in Russland weiter gehe.
Das hänge von der Haushaltsplanung im Müchener Goethe-Institut ab. „Für
dieses Jahr war es aber die letzte Eröffnung in Russland“, weiß die Leiterin der Bibliotheksarbeit definitiv.
Ende
Wilhelm Siemers