Illegale Aufnahmen im Wahlkampf
Wenige Tage vor den Parlamentswahlen am Samstag nehmen die Spannungen in Georgien zu. Der georgische Oppositionspolitiker Giwi Targamadse entging mit Glück dem Tod, als sein Auto bei einer Bombenexplosion in Tiflis komplett zerstört wurde. Zudem beschäftigt ein Skandalvideo die georgische Öffentlichkeit. Auf dem heimlich mitgeschnittenen Film ist die Stimme des ehemaligen Präsidenten Mikheil Saakaschwili zu hören, der mit einem gewaltsamen Staatsstreich droht, sollte seine Partei der „Vereinigten Nationalen Bewegung“ (UNM) die Wahl verlieren. Der Staatsschutz hat Untersuchungen eingeleitet. Die UNM sitzt derzeit in der Opposition, ihr Hauptkonkurrent ist die Regierungspartei „Georgischer Traum“ (GD).
„Es ist egal, ob dieses Video manipuliert ist oder echt“, sagt die georgische Juristin Ana Natsvlishvili, Chefin der Georgischen Vereinigung Junger Juristen (GYLA). „Dass die Regierung illegale Aufnahmen oppositioneller Politiker im Wahlkampf einsetzt zeigt, wie weit Georgien noch entfernt ist von einer erwachsenen Demokratie.“
Verstöße dieser Art gibt es in Georgien seit Jahren. Unter Staatschef Mikheil Saakaschwili, der im Westen als Reformer gilt, wurden Geständnisse erpresst – teils unter hohem psychischen und physischen Druck. Für einen Freispruch mussten Verurteilte ihren gesamten Besitz abgeben. „Es gab keinen anderen Weg, die eigene Unschuld zu beweisen“, erklärt Natsvlishvili. Die Zahl der Inhaftierten in georgischen Gefängnissen hatte sich verdreifacht, es sei dort gefoltert worden.
Zudem entstanden in der Amstzeit der UNM rund 26.000 illegale Aufnahmen von Politikergesprächen und -treffen. Eine Sonderabteilung im Innenministerium war für kompromittierende Sex-Videos zuständig. Sie filmte Politikerinnen beim Stelldichein mit Liebhabern, inszenierte Rendezvous für homosexuelle Abgeordnete und Journalisten – und erpresste sie noch Jahre später mit diesem Material. „Natürlich hat auch Präsident Saakashwili davon gewusst“, so Natsvlishvili.
Trotz der zahlreichen Verstöße kam aus dem Westen wenig Kritik. Die pro-europäische und pro-amerikanische Haltung von Saakaschwili und seiner Partei UNM ließen in Brüssel und Washington so manchen Politiker ein Auge zudrücken. Der Protest kam aus dem eigenen Land: Bei den letzten Parlamentswahlen 2012 haben die meisten Georgier für das Bündnis „Georgischer Traum“ (GD) gestimmt und damit Saakaschwili einen Denkzettel für seinen autoritären Regierungsstil verpasst.
Es war dies der erste Machtwechsel in der Kaukasusrepublik, der friedlich und an den Wahlurnen vollzogen wurde. In 25 Jahren Unabhängigkeit hat sich Georgien rasant entwickelt. Das Land gilt als Leuchtturm in einer Region, die von den autoritären Regierungen in Aserbaidschan und Armenien sowie dem großen Nachbarn Russland geprägt ist. Doch seit den vergangenen Parlamentswahlen ist in Georgien nicht viel passiert. Die wirtschaftliche Entwicklung ist schwach, die Menschen zeigen sich enttäuscht von den politischen Eliten. Nach Jahren des Wartens auf Beitritte zur Nato und zur EU schwindet mittlerweile auch die Begeisterung für eine Westbindung.
Nach der Veröffentlichung des letzten illegalen Videos ist die Enttäuschung entsprechend groß. „Die Parteien haben sich damit selbst das Label einer kriminellen Organisation verpasst“, so Erekle Urushadze von Transparency International Georgia. „Was uns nach den Wahlen erwartet, lässt nichts Gutes hoffen.“