Russland

RLW #64: Russland letzte Woche - auf Eis

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

viele von Ihnen lesen „Russland letzte Woche“ seit frühester, quasi prähistorischer Zeit. Seit fast fünfzehn Monaten! Eine lange in Zeit in Russland.

Was war damals bloß in mich gefahren? Eine Russlandkolumne, was für eine blöde Idee. Wer interessiert sich schon für einen Insiderblick auf das, äh, „östliche Riesenreich“? Vielleicht sind Themen, über die auf Deutsch kaum berichtet wird, einfach uninteressant?

Als ich im Mai 2015 diese Kolumne startete, konnte ich mir nicht vorstellen, dass sie mehr als ein paar Dutzend Leute interessieren könnte. Ein reines Spaßprojekt! Wie falsch ich lag! Jetzt lesen RLW hunderte Abonnenten jede Woche. Lasen. Ich muss Sie enttäuschen, liebe Leserinnen und Leser: Ich führe RLW vorerst nicht weiter.


Die gute Nachricht:

Auf subjektive Perspektiven aus Russland (und der Ukraine) müssen Sie nicht verzichten. Vier meiner Kollegen und Kolleginnen von n-ost starten nämlich ein neues Projekt -  „Gemischtes Doppel: Russland/Ukraine“. Ab dem 15. August schreiben Ian Bateson (u.a. New York Times, Foreign Policy), Maxim Kireev (u.a. Wirtschaftswoche, Zeit Online), Inga Pylypchuk (Die Welt) und Simon Schütt jede Woche im Wechsel über Russland und Ukraine. Diese Texte erhalten Sie künftig per Mail.

Melden Sie sich einfach unter n-ost@n-ost.org an.

Aber zurück zu mir, warum höre ich auf? Einige von Ihnen wissen es schon. Ich bin wieder in Deutschland, und habe einen neuen Job, der sich leider nicht mit den spitzen Zeilen von RLW vereinbaren lässt. Den halben Vormittag russisches Internet leerlesen, das ist nicht mehr drin. Die materielle Basis für RLW fällt somit leider weg. Mit Russlands Absurditäten werde ich mich bis auf Weiteres im Privaten beschäftigen. Damit seien Sie auch herzlich eingeladen, mich in Berlin auf einen Kaffee oder einen russischen Tschai zu treffen.

Jetzt habe ich jede Woche einen RLW-freien Sonntagabend. Zugegeben, ein bisschen bin ich auch froh drum. Woche für Woche aus dem Knäuel russischer Debatten eine Kolumne zu basteln, das ist nicht unbedingt einfach.

Hier nun die letzte Folge meiner Kolumne:

Letzte Woche ging es bei RLW um das sogenannte Ämterkarussell in Moskau. Das ist bei Weitem nicht das einzige russische Phänomen, bei dem sich der Karussell-Vergleich aufdrängt.

Der russische Politik- und Mediendiskurs scheint oft in einer Endlosschleife gefangen. Was, die Wirtschaft sackt wieder ab? Eine neue Studie sagt weiteren Abfall voraus? Nicht schon wieder! Eine so genannte ultrakonservative Abgeordnete - in Wahrheit natürlich der kollektive Kreml - „schlägt“ weitere Verschärfungen im Lebensbereich X oder Y vor? Hatten wir das nicht schon vor ein paar Monaten? Russland ist müde, und Russland macht müde.

Und so geht es weiter: Dmitri Medwedew hat etwas Dummes in der Öffentlichkeit gesagt und alle hassen ihn jetzt? It happened again. Und wieder sagen einige Beobachter: Medwedew ist eben der Prügelknabe, den Russlands politische Elite ins Volk hinabschickt. Das Volk schreibt dann Petitionen an Putin, er solle doch Medwedew absetzen. Rechte Hand, setz’ die linke ab! Wir lachen. Haben wir nicht letzte Woche schon gelacht?

Das Traurige an diesen Wiederholungen: Sie zeigen, dass das Land nicht vorankommt. Was ein Ereignis ist, bestimmen staatstreue Moskauer Fernsehsender. Sie machen keine kritischen Recherchen, sie enthüllen keine Korruption - dafür sind Menschen Aus dem Internet verantwortlich, die tun all das - und es bleibt ohne Folgen. Zum Beispiel: Der Verteidigungsminister hat eine Villa für 20 Millionen Euro, finanziert Gott weiß wie? Nobody cares. Derweil kommt Russland keinen Millimeter voran. Wie will man das Woche für Woche aufs Neue erzählen?

Vielleicht kommt RLW ja wieder. Nur nicht so bald. Ich bedanke mich ganz herzlich für ein Jahr Aufmerksamkeit, und auch für die Bekanntschaften, die es ohne RLW nicht gegeben hätte. Melden Sie sich doch gleich an für das „Gemischte Doppel“ über Russland und Ukraine. Ich verabschiede mich - jedenfalls vom Wochenformat. Meine Russland- und Osteuropa-Links finden Sie nach wie vor bei Piqd.

„Russland letzte Woche“ ist ein eklektischer Rückblick auf die Vorgänge da drüben im Osten, geschrieben von Pavel Lokshin in Kooperation mit n-ost und auf ostpol.

Tipps, Feedback und Anregungen aller Art bei Facebook, Twitter und unter lokshin@n-ost.org.


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