Urlaub auf der Krim: Unter Palmen und Putin
Auf der Promenade von Sewastopol reihen sich Verkaufsbuden aneinander. Bootsführer buhlen um Kundschaft für die nächste Hafenrundfahrt. Ein mannsgroßes Wandbild lehnt an einer Hausfassade: „Krim nasch!“ – „Die Krim gehört uns“, der Schlachtruf der Anhänger der russischen Annexion vor zwei Jahren. Wenige Meter weiter lassen sich Passanten vor einem Plakat fotografieren – mit Szenen aus der Geschichte Sewastopols, in die Farben der russischen Trikolore getaucht.
Über einen Mangel an Postkartenmotiven können sich russische Patrioten dieser Tage in Sewastopol nicht beklagen. Aber: „Es sind deutlich weniger Touristen als noch unter der Ukraine“, seufzt Andrej, der Putin-T-Shirts verkauft. „Die Kaufkraft ist bestimmt um die Hälfte zurückgegangen. Wie kann ich da zufrieden sein?“
Ausländer sind selten geworden in Sewastopol, dem Sitz der russischen Schwarzmeerflotte. „Sind Sie eine Spionin?“ fragt die Exkursionsleiterin Tatjana halb im Scherz, halb im Ernst. Bis zum Zerfall der Sowjetunion eine geschlossene Stadt, entwickelte sich Sewastopol unter der Ukraine zu einem Tourismusmagneten. „Früher hatten wir Gäste aus Polen, dem Baltikum oder auch Deutschland“, erinnert sich Tatjana, die mit einem kleinen Ausflugsboot Gäste durch den Hafen führt. „Aber diese Zeiten sind vorbei.“
Die Türkei ist besser
Der Tourismus ist der wichtigste Wirtschaftszweig auf der Krim. Doch mit der russischen Annexion der Krim sind ukrainische Touristen, die zuvor 70 Prozent der Gäste auf der Krim stellten, ausgeblieben. Die Ukraine und die internationale Gemeinschaft sehen die Krim als „vorübergehend besetzte Gebiete des ukrainischen Territoriums“ an. Drei Checkpoints verbinden die Halbinsel noch mit dem ukrainischen Festland. 4,6 Millionen Touristen – fast nur russische Staatsbürger – sollen 2015 auf die Krim gekommen sein, so die Daten der russischen Behörden. Die Zahlen liegen indes unter den Werten vor der Annexion: 2012 wurde auf der Krim mit 6,1 Millionen Touristen ein Besucherrekord aufgestellt.
In den vergangenen zwei Sommern sind zwar tatsächlich viele auf die Krim gereist. „Die Infrastruktur der Halbinsel entspricht aber nicht der Qualität, an die sich russische Urlauber in Ägypten oder in der Türkei gewöhnt haben“, so der Direktor des Reisebüros „Swjasnoj-Travel“, Andrej Osnizew, zur russischen Zeitung „Kommersant.“ „Aber viele haben entschieden, unter diesen Umständen nicht noch einmal auf der Krim Urlaub zu machen.“ Selbst die politischen Spannungen und die Terrorgefahr in der Türkei und Ägypten bewegen die Touristen nicht dazu, doch noch auf die Krim zu fahren.
Flugtickets auf die Krim, die infolge der Sanktionen nur noch von russischen Fluglinien angeflogen wird, werden heuer um 25 Prozent weniger nachgefragt, als noch 2015, so die Daten des Reiseanbieters. Diese Informationen wurden von den Behörden auf der Krim umgehend als „nicht repräsentativ“ zurückgewiesen.
Der Bahnhof in Jewpatorija, einem Kurort an der Westküste der Krim. Hier kamen früher Fernzüge aus Kiew oder Minsk an. Doch seitdem die Ukraine den Zugverkehr eingestellt hat, ist der Bahnhof verwaist. Frauen mit bunten Kopftüchern belagern den Straßenrand, mit Schildern in der Hand: „Wohnung zu vermieten!“ Heute ist selbst die „Elektritschka“, der Vorortzug, der zumindest noch in das 70 Kilometer entfernte Simferopol fährt, ausgefallen. Immer wieder kommt es auf der Krim zu Stromausfällen, nachdem die Ukraine die Stromversorgung gekappt hat.
Ein Irrtum
Doch das offizielle Motto lautet: Durchhalten. Mannshohe Plakate des russischen Präsidenten Wladimir Putin säumen die Landstraßen. „Wir werden die Krim und Sewastopol zu wirtschaftlich eigenständigen Subjekten aufbauen“, steht daneben geschrieben. Oder: „Die Krim steht für Tourismus und Erholung.“ Zuletzt hat Moskau das Subventionsprogramm für Flüge und Reisen auf die Krim ausgeweitet.
Oleg Subkow, Direktor eines Zoos nahe Simferopol, war selbst ein glühender Anhänger der russischen Annexion. So sehr, dass er sogar zwei Tigerbabys nach den dramatischen Ereignissen im Frühling 2014 benannte: „Pobeda“, der Sieg, und „Referendum.“ „Wir haben gedacht, dass die Russen in einer Patriotismuswelle in Scharen auf die Krim strömen werden“, sagt Subkow heute in seinem Salon, von opulenten Löwen-Skulpturen umgeben. „Wir haben uns leider geirrt.“ Die Inflation ist infolge der Annexion um 80 Prozent in die Höhe geschossen - zu teuer für russische Touristen, die selbst unter einer Wirtschaftskrise leiden, vermutet Subkow. In seinem Zoo rechnet Subkow heuer wieder mit einem satten Besucherminus. Im Vergleich zu 2013 seien die Zahlen „überhaupt um ein Vielfaches zurückgegangen.“
„Die Hoffnung stirbt zuletzt“ – ein Satz, den man dieser Tage oft auf der Krim hört. Die größten Hoffnungen setzen die Bewohner indes in den Bau einer 19-Kilometer langen Brücke über die Meerenge von Kertsch, die bis 2018 die Halbinsel mit dem russischen Festland verbinden soll. „Alles wird gut, wenn erst die Brücke steht“, sagt auch Maria, eine Verkäuferin an der Promenade von Sewastopol. Dass die Krim „auf ewig Russland“ bleibt, wie auf den Kühlschrankmagneten steht, die sie verkauft – daran hat sie, wie auch die meisten Krim-Bewohner, jedenfalls keinen Zweifel.
Quellen:
Persönliche Gespräche in Sewastopol, Simferopol und Jewpatorija
Daten des „Tourismusministeriums“ der annektierten Krim:
http://mtur.rk.gov.ru/file/vochnaya_informatsiya_o_kolichestve_turistov__posetivshih_respubliku_krim_za_2015_god.pdf
Artikel zu Rückgängen der Flugbuchungen:
http://www.kommersant.ru/doc/2988149
Dementi der Behörden:
http://ria.ru/society/20160516/1434030466.html
Homepage zur Brücke von Kertsch:
http://kerch-most.ru