Mord an Journalist Pawel Scheremet
„Es ist eine Ehrensache: Wir müssen alles dafür tun, damit der Mord an Pawel Scheremet aufgeklärt wird“, twitterte der ukrainische Präsident Petro Poroschenko am Mittwochmorgen. Ein weiterer Mord, ein weiterer schwarzer Tag für die ukrainische Demokratie. Der aus Belarus stammende Journalist Pawel Scheremet saß im Auto, das er von seiner Frau, der Journalistin Olena Prytula, geliehen hatte, als es an einer Kreuzung in der Kiewer Innenstadt explodierte. Augenzeugen berichten von einer lauten Explosion. Polizei und die Generalstaatsanwaltschaft vermuten: Die Tat ist ein politisch motivierter Mord.
In seinem Geburtsland Belarus galt der 44-jährige Scheremet lange als einer der größten Kritiker des umstrittenen Präsidenten Alexander Lukaschenko, bis er 1997 wegen seiner regierungskritischen Berichterstattung für drei Monate in Haft kam. Danach arbeitete Scheremet, der einen russischen Pass hatte, für viele Jahre in Russland, wo er unter anderem beliebter Moderator der Abendnachrichten beim Staatssender ORT war. Vor fünf Jahren zog er in die ukrainische Hauptstadt Kiew. Dort arbeitete Scheremet als Fernseh- und Radiomoderator und Exekutivdirektor der bekannten Online-Zeitung „Ukrainska Prawda“. Mit dieser Tätigkeit wird sein Mord nun von Kollegen in Verbindung gebracht.
Auch Scheremets Lebensgefährtin Prytula ist mit dem bekannten Online-Medium tief verbunden. Die 49-Jährige ist die Gründungsredakteurin der „Ukrainska Prawda“. Bis Oktober 2014 war die erfahrene Journalistin auch als Chefredakteurin des Projekts tätig, seither ist sie für die Strategie der Online-Zeitung verantwortlich. Seit ihrer Gründung im Jahr 2000 ist „Ukrainska Prawda“ vor allem für ihren investigativen Journalismus bekannt, die Recherchen zum Thema Korruption galten im postsowjetischen Raum als vorbildlich.
Lebensgefährlicher Job
Am Beispiel der „Ukrainska Prawda“ zeigt sich auch, dass der Journalismus in der Ukraine ein lebensgefährlicher Job sein kann: Noch im Jahr 2000 wurde der Gründer der Internet-Zeitung Heorhij Gongadse brutal ermordet. Bis heute wird vermutet, dass hinter der Tat der damalige Präsident der Ukraine, Leonid Kutschma, steht. Doch eine Aufklärung des Gongadse-Mordes ist bis heute ausgeblieben.
Pawel Scheremet ist nun der 69. Journalist, der seit 1992 in der Ex-Sowjetrepublik ermordet wurde. Gerade im letzten Jahr geriet die Ukraine diesbezüglich wieder in die Schlagzeilen, als im April der Journalist und Publizist Oles Busyna in der Nähe seiner Wohnung erschossen wurde. Anders als Busyna, der eher als prorussisch galt, hatte Scheremet gute Beziehungen mit den aktuellen Entscheidungsträgern der Ukraine. Auch mit Petro Poroschenko, der dies gleich auf Twitter bestätigte: „Ich kannte Pawel persönlich. Es ist ein Schock für mich.“
„Es muss ein schnelles und transparentes Ermittlungsverfahren durchgeführt werden, damit die Schuldigen ihre Verantwortung tragen“, forderte Federica Mogherini, die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik. Präsident Poroschenko berief ein spezielles Polizeikommando ein, die Kiewer- und die Generalstaatsanwaltschaft arbeiten an dem Fall zusammen. Bisher wurden keine Spuren bekannt, die zum Täter führen.
„Wir werden auch der Version nachgehen, dass der Grund des Mordes die Destabilisierung der Lage in der Ukraine ist“, sagte der Chef des ukrainischen Sicherheitsdienstes SBU, Wasyl Grizak. Anton Geratschenko und Sorjan Schkirjak, die Berater des Innenministers Arsen Awakow, wollen zudem auch eine „russische Spur“ nicht komplett ausschließen.
Während die Behörden noch spekulieren, wurde die Kreuzung, an der Scheremet ermordet wurde, bereits zu einem improvisierten Denkmal. Die Menschen legen Blumen nieder und zünden Kerzen an. „Pascha war ein Mensch mit Überzeugungen, er war ein echter Idealist. Er wird uns fehlen“, sagt Natalja Gumenjuk, die Chefin des Internet-Senders Hromadske, über ihren ermordeten Kollegen.