„Es wird nicht leicht“
n-ost: Herr Finanzminister: Sie sei frustriert, hat Ihre Vorgängerin Natalie Jaresko nach wenigen Monaten im Amt gesagt. Sie nannte Korruption, die Probleme bei Steuerreform, Umschuldung und Verwaltung. Wie geht es Ihnen?
Oleksandr Danyljuk: Ich habe gewusst, worauf ich mich einlasse und dass es nicht leicht sein wird. Ob ich frustriert bin: vielleicht ein bisschen. Es ist frustrierend, sich nicht auf zwei oder drei Bereiche konzentrieren zu können, wenn es so viele Dinge gibt, die angegangen werden müssen. Aber das habe ich erwartet.
Die bekanntesten Reformer haben die Regierung verlassen. Ein schlechtes Omen?
Danyljuk: Da muss ich widersprechen. Mein Team und ich gehören zu den erfahrensten Reformern dieses Landes: Ich war seit 2010 in so viele Reformpläne involviert. Die Reformen der vorigen Regierung habe ich als ständiger Vertreter des Präsidenten im Ministerkabinett aktiv unterstützt. Und der Premier Wolodymyr Hrojsman ist ein Reformer, ein Macher. Das hat er schon als Bürgermeister von Winnyzja gezeigt. Er hat die Stadt verwandelt. Viele Dinge, über die wir jetzt reden, hat er schon auf kommunaler Ebene realisiert.
Zugleich gibt es Kritik, dass Präsident Petro Poroschenko zu viel Macht um sich sammelt. Sein Vertrauter Hrojsman ist jetzt Premier. Juri Luzenko, der nicht einmal eine juristische Ausbildung hat, ist nun Generalstaatsanwalt.
Danyljuk: Ich verstehe, dass das von außen so gesehen werden kann. Ich sehe das aber eher von der praktischen Seite: Dass man denselben Zugang hat, was Reformen angeht und um Dinge zu tun, die getan werden müssen.
Seit fast einem Jahr hat die Ukraine keine Tranche mehr vom IWF bekommen. Im Februar hat der IWF geschrieben, dass die Kreditauszahlung ausgesetzt ist und nannte dabei „Vorbehalte bei Staatsführung und Korruption.“ Wann wird es die nächste Tranche geben?
Danyljuk: Das ist die Entscheidung des IWF-Vorstands. Ich erwarte eine positive Entscheidung Mitte Juli. Aber ich möchte betonen: Wir bekämpfen ja nicht wegen des IWF die Korruption. Zum ersten Mal in der ukrainischen Geschichte wurden maßgebliche Anti-Korruptionsmaßnahmen ergriffen: Das nationale Anti-Korruptions-Büro. Elektronische Deklarationen. Die Agentur für Korruptionsprävention. Diese Dinge haben wir gegen alle Widerstände durchgebracht.
Zugleich gibt es große Probleme im Fiskaldienst. Dort soll die Korruption zuletzt sogar zugenommen haben.
Danyljuk: Ich mag keine populistischen Ankündigungen. Ich möchte dort aber Veränderungen durchsetzen, die irreversibel sind. Ich möchte die Mitarbeiter reduzieren und neue Leute einsetzen. Man muss das System und die Leute ändern. Das eine ohne das andere wird nicht funktionieren.
Auch der Einfluss der Oligarchen ist ungebrochen.
Danyljuk: Der Einfluss der Oligarchen auf die Politik muss verringert werden. Was mich optimistisch stimmt: Wir haben die Instrumente, um das anzupacken. Das Gesetz zur Parteienfinanzierung hält korrupte Personen davon ab, ins System zu kommen. Aber ich als Libertärer sehe einen viel effektiveren Weg, den wir zugleich gehen müssen: Die massenhafte Privatisierung. Wir müssen dafür sorgen, dass die Investoren zu uns kommen.
Im Zuge der Reformen sind die Energiekosten in der Ukraine zuletzt dramatisch gestiegen. Worauf müssen sich die Ukrainer noch einstellen?
Danyljuk: Die Tarife werden nicht mehr weiter erhöht, aber die Menschen werden es erst so richtig in der Heizsaison spüren. Wir werden aber das Subventions-System weiter ausbauen und Anreize für Maßnahmen zur Energieeffizienz in den Haushalten schaffen.
Ihr Start war etwas holprig – in der Ukraine gab es viel Wirbel darum, dass Sie noch während Ihrer politischen Tätigkeit CEO von Offshore-Unternehmen in Zypern und in London waren. Wie kommentieren Sie das?
Danyljuk: Das war eine Gruppe von Unternehmen, die von mir und drei anderen Direktoren professionell als CEO gemanagt und von der Financial Services Authority (britische Finanzmarktaufsicht, Anm.) gemanagt wurde, einer der strengsten Regulatoren der Welt. Als ich 2010 London verlassen habe, habe ich meine Tätigkeit und Position aufgegeben, aber die Umsetzung hat noch gedauert. Korruption ist es, wenn man Geld stiehlt und Macht missbraucht, das war hier nie der Fall. Zugleich arbeitet mein Ministerium daran, bilaterale Steuerabkommen zu verändern. Geld geht den Weg des geringsten Widerstandes, das ist ein physikalisches Gesetz. Als Finanzminister möchte ich allerdings genau diese Schlupflöcher schließen, die es möglich machen, Steuern zu umgehen.
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Zur Person:
Oleksandr Danyljuk (40) ist seit April 2016 Finanzminister der Ukraine. Zuvor war er ständiger Vertreter des Präsidenten im Ministerkabinett. Studium in Kiew (Investment-Management) und in den USA (School of Business auf der Indiana University. Weitere Stationen bei Baker & McKenzie, Leitung eines Londoner Investmentfonds. Seit 2010 Leiter der Koordinationsstelle für Wirtschaftsreformen.
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Quellen:
Persönliches Interview in Kiew
IWF Ukraine
https://www.imf.org/external/country/ukr/index.htm?type=42
IWF-Statement zu Ukraine (Seite 16 im Dokument)
http://www.imf.org/external/pubs/ft/sdn/2016/sdn1605.pdf