Russland

RLW #54: Dmitri Medwedews PR-Desaster

Stellen Sie sich vor: Sie sind der russische Regierungschef. Vor zwei Jahren hat ihr Land den Ukrainern die Krim stibitzt. Der Bevölkerung dort hatten Sie und ihr Boss Wladimir Putin damals eine Angleichung an die russischen Lebensstandards versprochen, und natürlich konnten Sie ihr Versprechen nicht halten. Im Februar hat es eine Rentenerhöhung um vier Prozent gegeben, aber was tut das schon zur Sache? Lebensmittel sind teuer, ja, alles ist teuer. Die Leute sind sauer, vor allem die Rentner. Jetzt besuchen Sie die Krim, und ein hübscher Plausch mit dem Plebs läuft nicht ganz nach Plan (VIDEO).

RENTNERIN: Man kann doch so nicht überleben auf der Krim! Die Preise sind völlig verrückt!

Sie sind Medwedew, was tun Sie jetzt? Lassen Sie die Frau ausreden? Sichern Sie ihr nach Putins Art „Unterstützung“ zu? Nutzen Sie die Gelegenheit, um über Feinde im Westen herzuziehen? Na?

MEDWEDEW (lässt die Frau nicht ausreden): Das mit den Renten ist ein anderes Thema (Achten Sie mal auf Medwedews Gestik!)

RENTNERIN: Wir haben 45 Jahre gearbeitet! Die Renten wurden nicht richtig erhöht!

MEDWEDEW (Arme in den Hüften, widersprechend): Alles richtig.

RENTNERIN: Was sind denn 8000 Rubel (107 Euro)? Das ist doch ´ne Misere!

MEDWEDEW: Mit dieser Frage werden wir uns landesweit beschäftigen.

RENTNERIN: … 45 Jahre gearbeitet!

MEDWEDEW: Wir können das nicht nur an einem Ort machen.

RENTNERIN: Wo bleibt die Rentenerhöhung? Warum nicht auf der Krim?

MEDWEDEW: Die gibt es nirgendwo. Wir haben sie gar nicht beschlossen. Es gibt einfach kein Geld. Wenn wir Geld auftreiben können, machen wir eine Rentenerhöhung.

RENTNERIN: ….

MEDWEDEW: (Haut ab) Halten Sie durch hier! Alles Gute! Ich wünsche Ihnen gute Laune und viel Gesundheit!

Wow. Das ist der Regierungschef eines Landes, das zumindest nominell eine Demokratie ist. Die Frau gehört zu den Stammwählern der Kremlpartei, wie viele der Menschen, die vom Staat finanziell abhängig sind. Und Medwedew behandelt sie so furchtbar, um sich zum Schluß wie ein Politikanfänger auf die billigste Art aus der Affäre zu stehlen. In einem Land mit Politik und Medien - und nicht Politik- und Medien-Attrappen wie Russland - wäre Medwedew mächtig unter Druck geraten.

Dafür waren die Reaktionen in den sozialen Medien umso heftiger. Medwedews Sätze „wir haben kein Geld“ und „halten Sie durch hier!“ wurden zu Memes.

Wie wär’s mit diesem „Einiges Russland“-Wahlplakat?

ES GIBT KEIN GELD. Halten Sie durch hier, wünsche gute Laune! 18 September. Wahl der Abgeordneten der Staatsduma der russischen Föderation

Oder mit diesem Verschnitt einer Rubel-Banknote aus der Sowjetzeit?

Halten Sie durch hier
ES GIBT KEIN GELD
Ihnen alles Gute, gute Laune und viel Gesundheit!
AM ARSCH

Medwedew und Putin haben was zu lachen: „Und ich sagte ihnen: Es gibt kein Geld. Halten Sie durch hier, alles Gute und gute Laune! Bis bald mal wieder!“

Das Medwedew-Statement als offizielles Regierungspapier.

Medwedew hilft natürlich auch beim Ausfüllen der Steuererklärung.

Auch Wladimir Putin hat sich gemeldet: Medwedews Worte seien sicherlich „aus dem Kontext gerissen“ worden. Im Übrigen bemühe sich die Regierung, die Situation der sozial schwachen zu verbessern.
Für die Rentner auf der Krim hatte Putin auch eine Message:

„Die Durchschnittsrente bei uns liegt bei 200 Dollar, und in der Ukraine bei 76 Dollar. Gibt es da keinen Unterschied? Ja, immerhin haben wir die Renten um vier Prozent erhöht, in der Ukraine gab’s überhaupt keine Rentenerhöhung und eine Anhebung des Rentenalters.“

Wen interessieren da die unterschiedlichen Lebenskosten in der Ukraine und auf der Krim? Oder die Tatsache, dass Russland alles daran setzt, die Ukraine zu destabilisieren? Seid dankbar, Omas.

„Russland letzte Woche“ ist ein eklektischer Rückblick auf die Vorgänge da drüben im Osten, geschrieben von Pavel Lokshin in Kooperation mit n-ost. Für Abonnenten jeden Montagmorgen als Newsletter und auf ostpol.

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